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Schweigend steht der Wald: Roman (German Edition)

Schweigend steht der Wald: Roman (German Edition)

Titel: Schweigend steht der Wald: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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mit dem Mann geschehen war. Aber bei längerem Nachdenken erwies sich die Idee als genial. Denn entstand so vielleicht nicht eine plausible, über alle Zweifel erhabene Geschichte? Xaver war tot. Und Xaver war ganz offensichtlich verrückt gewesen. Er hatte seine Mutter umgebracht und sich erhängt. Alle glaubten damals, dass er den Lehrer ermordet hatte. Aber man hatte es ihm nicht nachweisen können. Jetzt würde sich einfach herausstellen, dass es genau so gewesen war, wie alle gedacht hatten. Je länger Konrad Dallmann darüber nachdachte, desto ungeheuerlicher erschien ihm Alois Leybachs Vorschlag. Vor zwanzig Jahren hatte Xaver im Wahn einen Urlauber erschlagen. Das unerwartete Wiedersehen mit der Tochter des Toten hatte nun beim Täter erneut einen Amoklauf ausgelöst. Die Pfuscherei seines Vaters würde nicht sichtbar. Kein Mensch würde irgendwelche Fragen stellen. Er blickte Leybach an, der ihn spöttisch anschaute. Er mochte diesen hageren Greis nicht, und er wollte gar nicht wissen, was er in seinem Leben sonst noch alles ausgeheckt hatte. Aber die Idee, den toten Lehrer wieder auftauchen zu lassen, war tatsächlich brillant. Sein Vater schien das auch so zu sehen.
    »Du musst nur den ganz großen Apparat anschmeißen, Konrad«, bemerkte er sichtlich erfreut über diesen einfachen und wirkungsvollen Plan. »Es haben sich neue Verdachtsmomente ergeben. Das berechtigte Interesse der Angehörigen zwingt dich, neu zu ermitteln. Das wird jeder Staatsanwalt nachvollziehen können. Du gräbst nicht nur den Haingries um, sondern lässt in alle Richtungen suchen. Wir fabrizieren einen Hinweis aus der Bevölkerung, der damals übersehen wurde. Irgendein inzwischen verstorbener Bauer, der irgendwas gesehen hat. Wir sagen dir schon noch, wo. Nach zwei, drei Tagen wird er gefunden und – Bingo. Damit ist die Kleine dann erst einmal beschäftigt, und du kannst dir noch einen gelösten Altfall ans Revers heften.«
    Die geradezu perfide Eleganz dieses Vorschlags hinterließ Konrad Dallmann sprachlos. Es war wirklich perfekt.
    »Was ist mit dem Spaten?«, fragte er, bereits gedanklich mit den Vorbereitungen beschäftigt, die dieser Einsatz erforderlich machen würde. »War es der gleiche?«
    Er schaute Alois Leybach an. »Was für einer lag denn neben der Anna?«, fragte der zurück.
    »Ein Stechspaten. Mit Kreuzgriff.«
    Alois Leybach nickte. »Das kommt hin.«
    »Dieselbe Tatwaffe«, rief sein Vater freudig aus. »Besser geht es ja nun wirklich nicht. Worüber machen wir uns eigentlich noch Sorgen?«
    Konrad Dallmann war plötzlich wie benommen von den Vorgängen. Jetzt, da er einen recht unkomplizierten und fast risikolosen Ausweg sah, konnte er sich den Luxus erlauben, einen Moment lang über die fatale Situation zu sinnieren. Nein, glücklicherweise nicht mehr fatal. Aber noch immer äußerst unangenehm. Wenigstens eines war sicher: Von allen Lügengebäuden, die man um diesen Fall errichten konnte, war dieses mit Abstand das solideste. Seine Gewissensbisse verschwanden dadurch zwar nicht. Aber immerhin war die größte Gefahr erst einmal gebannt.
    »Also«, fasste sein Vater zusammen. »Konrad und ich werden nachher die Einzelheiten absprechen. Aber ihr seid alle mit der Grundidee einverstanden?«
    Er sah von einem zum anderen. Leybach machte große Augen, als erübrige es sich, ihm die Frage überhaupt zu stellen. Albrecht Gollas hatte die ganze Zeit über nichts mehr gesagt und senkte auch jetzt nur zustimmend die Augenlider. Allein Heinbichler zog skeptisch die Stirn in Falten.
    »Und was machen wir, wenn sie doch weitersucht und etwas findet?«, fragte er.
    »Aber Rudolf, wie denn, verdammt noch mal?«, erwiderte Alois Leybach gereizt. »Was soll sie denn finden? Sie kann doch nicht hexen!«
    Stille.
    »Nun denn, meine Herren«, sagte Konrad Dallmann. »Wer von euch kann mir also sagen, wo ich in den nächsten Tagen graben lassen soll?«
    Er schaute Alois Leybach an. Der fixierte Gustav Dallmann. Konrad sah zu seinem Vater. Der senkte für einen ganz kurzen Moment den Blick beschämt zu Boden, bevor er ihn trotzig und herausfordernd wieder hob und ihn direkt anschaute. »Ich sag es dir nachher, Konrad. Wenn wir alles andere besprechen.«
    Dann wurde es wieder still. Konrad Dallmann trank nervös einen Schluck Bier und sah wieder zu seinem Vater, der seinen Blick nun jedoch mied.
    »Ich hab trotzdem ein saudummes Gefühl«, murmelte Heinbichler. »Und eins sag ich euch: Diese Grimm liest den Wald so wie keiner

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