Schweigend steht der Wald: Roman (German Edition)
der hier so sprach? Sein Blick glitt über die düsteren Gesichter der vier alten Männer. Warum saß er hier mit ihnen? Um seinem Vater zu helfen? Oder ging es eher um ihn selbst? Warum sprach er überhaupt mit diesen Leuten und brachte sich in eine heikle Lage, anstatt die Sache einfach auffliegen zu lassen? Nein! Diese Option hatte er gestern, nachdem sein Vater ihm alles erzählt hatte, stundenlang durchdacht und als unmöglich verworfen. Es musste eine andere Lösung geben, und er hatte auch schon eine Idee. Nicht einfach umzusetzen und daher nicht perfekt. Aber wohl die einzige Lösung. Das wäre gleich im Einzelnen zu besprechen, denn er brauchte dafür noch sehr viel genauere Informationen. Er musste also mit ihnen reden. Aber das war nicht die ganze Wahrheit. Er musste sich eingestehen, dass er auch schlicht neugierig darauf war, was sie vorschlagen würden. Ja, wer waren diese vier Männer eigentlich?
»Wieso?«, fragte Leybach unwirsch. »Was ist denn mit den Akten?«
»Was damit ist?«, stieß Gustav Dallmann höhnisch aus. Konrad spürte den Blick seines Vaters, sah aber nicht zu ihm hin. »Was wohl! Natürlich sieht jeder, der ein bisschen genauer hinschaut, dass das damals nicht gerade streng nach Lehrbuch gelaufen ist.«
»Aber warum sollte das passieren?«, fragte Alois störrisch zurück. »Wer zum Teufel sollte sich diese alten Akten vornehmen?«
»Ich habe sie gerade gelesen«, antwortete Konrad. »Und ich habe doch erklärt, dass diese Frau sich jederzeit einen Anwalt nehmen kann, um den Fall wieder aufzurollen. Deshalb müssen wir sehr schnell handeln und eine Lösung finden. Allein dass ich hier mit euch sitze, kann mich meine Existenz kosten. Also: Diese ganze Diskussion ist verlorene Zeit. Das Was ist doch längst klar. Also reden wir über das Wer, das Wann und das Wie. «
Es trat eine längere Stille ein. Sein Vater musterte ihn noch immer. Sein Gesichtsausdruck hatte sich verändert. Er sah aus, als habe er gerade etwas völlig Neues über ihn erfahren.
»Moment mal«, warf Heinbichler ein, aber Konrad schnitt ihm das Wort ab.
»Moment mal?«, wiederholte er scharf. »Du hast vielleicht Nerven, Rudolf. Was kann euch denn passieren?« Die »alten Knacker«, die ihm auf der Zunge gelegen hatten, schenkte er sich. Durch seinen Ton schwangen sie ohnehin mit. »Was droht euch schlimmstenfalls, falls diese Frau auf eure Hinterlassenschaften stößt? Gar nichts. Schräge Blicke vielleicht. Was soll man euch denn noch antun, hm? Ich habe Frau und Kinder. Ich lebe hier. Ich habe keinerlei Bedarf, dass irgendetwas von dieser Sache an die Öffentlichkeit gelangt. Und zweitens habe ich schon gar kein Interesse daran, zur Verkehrspolizei nach Hinterscheißhausen strafversetzt zu werden, weil ich die Strafvereitelung im Amt von meinem Alten Herrn gedeckt habe.«
»Das wird alles nicht geschehen, Konrad«, erwiderte Alois Leybach ruhig.
»So? Das sagst du einfach und denkst, dass es dann auch so sei. Und was machen wir, wenn sie was findet? Was dann?« Dieser alte Klugscheißer! Wo lebte er denn? In seiner glorreichen Vergangenheit?
»Das ist unmöglich«, zischte sein Vater zornig. »Jetzt lass doch mal die Kirche im Dorf, Konrad. Sie kann nichts finden. Unmöglich. Und selbst wenn sie die alten Akten prüfen lassen sollte. Ein direkter Zusammenhang ist doch gar nicht nachweisbar. Und es gibt keinerlei Spuren. Keine Indizien. Keine materiellen Beweisstücke. Das haben wir alles beseitigt. Da ist nichts mehr. Nichts. «
»Eben«, sagte Leybach. »Außerdem überseht ihr alle das Offensichtliche: Das Problem ist gleichzeitig die Lösung. Wir müssen sie nur etwas finden lassen, das ist alles.«
Konrad biss genervt die Zähne zusammen. Er hatte es doch gewusst. Ein Klugscheißer. Ein blasierter Idiot. Sie alle waren Idioten. Und der größte Idiot war er selbst, dass er überhaupt in diesem Keller saß.
»So«, sagte Konrad beherrscht. »Und was sollen wir sie finden lassen?«
»Ganz einfach: Wir geben ihr, was sie sucht. Dann sucht sie auch nicht länger nach etwas, was sie auf keinen Fall finden soll. Sie sucht ihren Vater. Also soll sie ihn haben.«
Kurzzeitig herrschte Stille im Raum. Konrad Dallmann hatte sofort hundert Einwände gegen diese Idee im Kopf. Die Leiche dieses Lehrers wieder ausgraben? War Alois verrückt geworden? Wenn das Skelett jetzt gefunden wurde, würde es mit allem untersucht werden, was die Gerichtsmedizin heute zu bieten hatte. Man würde genau rekonstruieren, was
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