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Schweigend steht der Wald: Roman (German Edition)

Schweigend steht der Wald: Roman (German Edition)

Titel: Schweigend steht der Wald: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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glänzen. Er griff neben sich und knipste eine kleine Lampe an, die auf dem Boden stand. Anja kniff die Augen zusammen. Sie schaute sich um. Was für ein Chaos! Dann beugte sie sich zu ihm hin und knipste die Lampe wieder aus.
    »Was ist denn los?«, fragte er. »Warum bleibst du nicht bei mir?«
    »Ich kann nicht. Lass mich.«
    Er richtete sich ein wenig auf. »Aber … warum denn?«
    Sie legte ihm den Finger auf die Lippen. »Ich muss jetzt gehen, Lukas. Bitte.«
    Er ergriff ihre Hand und küsste ihre Fingerspitzen. »Kann ich dich anrufen?«
    »Ja. Natürlich. Vielleicht rufe ich sogar vorher bei dir an.« Sie erhob sich. »Es war sehr schön, Lukas. Aber jetzt brauche ich erst einmal etwas Abstand.«
    Er räusperte sich. »Sicher«, sagte er mit einem Hauch von Enttäuschung in der Stimme. »Wenn du meinst.«
    Sie gab ihm einen Kuss auf die Lippen, balancierte zur Tür und verließ die Wohnung. Ihre Schritte hallten durch das leere Treppenhaus. Als sie die Haustür öffnete, lag die Welt in zartem Dunkelblau vor ihr. Eine Amsel sang. Die Luft war frisch und tat ihr gut. Sie ging zu ihrem Wagen, startete und fuhr los. Die Stadt schlief noch. Es gab kaum Verkehr. Auch auf der Autobahn waren nur wenige Fahrzeuge unterwegs.
    Die Traumbilder verstörten sie. Die entsetzlichen, widerlichen Eindrücke verblassten nur langsam hinter dem, was wirklich geschehen war. Er war nicht über sie hergefallen. Im Gegenteil. Für ihren Geschmack war er fast zu rücksichtsvoll gewesen, zu verliebt vielleicht. Sie hatte ihn gewollt, und sie hatte diese Nacht genossen. Sie war zu ihm gefahren, um genau das zu tun, was sie getan hatte. Woher also dieses plötzliche Gefühl, dass daran etwas falsch war?
    Bei Schwarzenfeld fuhr sie von der Autobahn ab und nahm die Landstraße Richtung Neunburg. Als sie Waldmünchen erreichte, wurde es gerade erst hell. Frau Anhuber schlief sogar noch, und sie gelangte unbemerkt in ihr Zimmer.
    Es war das erste Mal, dass sie sich von diesem Raum aufgenommen und beschützt fühlte. Sie zog sich aus, duschte ausgiebig, zog sich frische Kleider an, öffnete das Fenster und betrachtete die Morgendämmerung. Von irgendwoher wehte der Duft von frischem Brot zu ihr. Aber sie hatte keinen Hunger. Die Bilder der Nacht geisterten in ihr herum und nahmen ihr jeglichen Appetit. Was für ein Alptraum!
    Offenbar reichte die Ahnung, die der Besuch in Xavers Zimmer in ihr ausgelöst hatte, sehr viel tiefer, als sie bewusst wahrnehmen konnte. Sprach der Traum ein Erlebnis aus, das in ihr verschüttet war? Hatte Xaver sie vergewaltigt? Doch was hatte Anna Leybach in dem Traum verloren? Sogar das Rotkäppchen hatte der Traum noch hineingemischt. Die Szene davor ließ sie schaudern. Der Geschlechtsakt mit einem Tier! Sie hatte mit Lukas geschlafen. Was sie im Traum empfunden hatte, hatte sie kurz zuvor real erlebt. Kein Wunder also, dass ihr Traum sich dieser Empfindungen bedient hatte. Aber was sie geträumt hatte, war ungleich intensiver gewesen. Umfassender. Überwältigender. Unbegreiflicherweise erregte sie das auch noch. Obwohl es sie anwiderte.
    Sie dachte an Lukas. An seinen Körper. Das war es, was der Traum ausgenutzt hatte. Das hatte sie erregt. Nicht das widerliche Traumbild. Hätte sie dableiben sollen? Sie hätten in Regensburg frühstücken gehen können und den Tag zusammen verbringen. In der Stadt. Oder sonst wo. Nur nicht hier in diesem entsetzlichen Kaff, wo sie jetzt festsaß ohne die geringste Idee, was sie mit dem Wochenende anfangen sollte.
    Sie schaute auf ihren Schreibtisch. Die Summe ihrer Existenz lag dort. Ein Stoß Arbeitsunterlagen. Die Herbarienbücher ihres Vaters. Und alte Zeitungsausschnitte aus dem Weidener Tagblatt.
    Plötzlich überkam sie ein unglaubliches Gefühl. Vielleicht war es doch richtig gewesen hierherzukommen. Sie würde endlich von ihm Abschied nehmen können. Wie viele Kinder verloren ihren Vater oder ihre Mutter? Und wie viele Eltern mussten ein Kind zu Grabe tragen? Das war nun einmal Schicksal. Alle Zeit war nur geliehen. Damit musste man sich abfinden. Ihr Vater hatte sie nicht mehr von der Schule abgeholt. Er hatte ihr keine Bäume oder Vogelstimmen mehr erklärt. Und am Tag ihres Abiturs hatte er nicht in der Aula gesessen. Sein Geruch war aus dem Haus verschwunden. Sie war mit ihrer Mutter allein. Aber so war es nun einmal.
    Werde erwachsen! War das der tiefere Sinn ihres Traums gewesen? Sie hatte guten Sex mit einem attraktiven Mann gehabt, und sofort bekam sie

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