Schweigende Mauern: Historischer Kriminalroman aus Trier (German Edition)
wollten, ließen ihn immer wieder aufschrecken.
Wo ist Gesine Albrecht?
Was war das für ein Geräusch? Irgendein Hämmern, das immer lauter wurde. Jetzt wurden auch dumpfe Rufe hörbar. Was war hier los? Nikolaus öffnete mühsam die Augen und blickte auf die weiß getünchte Decke seiner Kammer. Ganz langsam wurde ihm bewusst, dass jemand energisch an die Tür klopfte und seinen Namen rief. Er rieb sich den Schlaf aus den Augen. Strahlender Sonnenschein erhellte sein Zimmer. Es musste schon Vormittag sein. So lange hatte er doch gar nicht schlafen wollen.
Wieder klopfte es.
»Was ist denn?«, knurrte er und richtete sich langsam auf. Er hatte Kopfschmerzen. Die Nacht war alles andere als erholsam gewesen.
»Der ehrwürdige Dompropst möchte Euch dringend sprechen«, drang es durch die Tür.
»Ich komme gleich.«
»Bitte beeilt Euch, gnädiger Doktor Krebs. Der ehrwürdige Dompropst ist schon ganz ungehalten. Er wartet im Kreuzgang des Doms.«
»Ich sagte: Ich komme gleich. Bestellt ihm das!«
Hinter der Tür war nur noch ein Gemurmel zu hören.
Nikolaus hievte sich mühsam aus dem Bett. Noch im Halbschlaf wusch er sich und zog ein frisches Hemd an. Er fühlte sich noch immer müde und matt vom gestrigen Abend, versuchte aber sich zusammenzureißen. Nach wenigen Augenblicken war er schon auf dem Weg zum ungeduldigen Simeon von Meuren.
Im Kreuzgang standen der Dompropst, der Domdechant und einige andere hohe Geistliche des Domkapitels zusammen. Als Meuren Nikolaus kommen sah, entschuldigte er sich hastig und kam auf ihn zu.
»Wo bleibt Ihr denn? Ich warte schon seit bald zwei Stunden auf Euch.«
»Ich ...«
Aber der Dompropst schnitt ihm einfach das Wort ab. »Wenn Ihr nicht aus dem Bett kommen könnt, geht früher schlafen. Was gibt es Neues?«
Nikolaus musste sich zur Ruhe zwingen und sagte dann mit einem Lächeln: »Ich bin gestern Abend überfallen worden.«
»Seid Ihr verletzt?«
»Nein, das nicht. Aber ...«
Meuren ließ sich nicht beeindrucken. »Warum meckert Ihr dann? Ihr wisst genau, dass ich von Euch das Neueste zum Mord an Meister Albrecht hören wollte. Nun macht schon! Was war zwischen ihm und diesem anderen Meister?«
»Eigentlich nicht viel. Zwischen Herrmann Albrecht und Adam Grimbach gab es öfter Differenzen, weil Meister Albrecht nicht besonders zuverlässig war. Dazu kommt, dass Grimbach und Helena noch immer ineinander verliebt sind und sich heimlich treffen.«
»Da haben wir doch schon die Ursache! Eifersucht! Einer der ältesten Gründe für einen Mord! Schon Kain erschlug seinen Bruder Abel aus Eifersucht.«
»Zwar gibt es niemanden, der bezeugen kann, wo Grimbach kurz vor dem Sturz war, andererseits gibt es auch keinen, der gesehen hat, dass überhaupt jemand bei Herrmann Albrecht war. Und das, obwohl einige Leute mehr als rein zufällig in St. Gangolf waren. Ein paar Ratsherren waren genau zum Zeitpunkt des Todessturzes im Turm.«
»Ach. Wer denn?«
»Theodor Junk, Philipp von ...«
»Ha!« Meuren klatschte heftig in die Hände. »Was wollte der alte Lump denn da?«
Langsam verlor Nikolaus die Geduld. Es war mehr als unhöflich, immer wieder unterbrochen zu werden. »Das wollte er nicht sagen.«
»Dann kümmert Euch gefälligst darum! Ich will wissen, ob Junk den Grimbach angestiftet hat.«
»Wieso angestiftet?«
»Dieser Grimbach ist der Mörder. Ganz klar. Erst wird ihm ein anderer Meister vor die Nase gesetzt, und dann bekommt der auch noch seine Braut. Und wie Ihr sagtet, kann er nicht beweisen, dass er woanders war. Das reicht. Ich habe Grimbach heute Morgen einsperren lassen. Solange ich noch etwas zu sagen habe, darf hier in Trier kein Mörder frei herumlaufen.«
Nikolaus konnte nur schwer an sich halten. Er musste all seine Kraft zusammennehmen, um diesem übereifrigen, verbohrten Möchtegern nicht die Meinung zu sagen. Eine solch fadenscheinige Anklage, wie Meuren sie sich gerade zusammenbastelte, würde vor keinem anständigen Gericht bestehen können. Was trieb ihn bloß so an? Wieso handelte er wider alle Vernunft?
»Es gibt aber keinen Beweis für einen Mord. Erst recht nicht dafür, dass Grimbach seine Hände im Spiel hatte. Was wir haben, sind lediglich Vermutungen. Mehr nicht.«
»Natürlich habe ich den Beweis, dass er der Mörder ist!« Der Dompropst reckte sich triumphierend, um seine fehlende Größe auszugleichen. »Der junge Mann, den wir gestern erwischt haben, bezeugt, dass er gesehen hat, wie Albrecht und Grimbach miteinander gerungen
Weitere Kostenlose Bücher