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Schweigende Mauern: Historischer Kriminalroman aus Trier (German Edition)

Schweigende Mauern: Historischer Kriminalroman aus Trier (German Edition)

Titel: Schweigende Mauern: Historischer Kriminalroman aus Trier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Domeier
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hätten am Ende alle sechs jungen Männer dem Henker in die Augen schauen müssen – so verloren nur drei ihr Leben. Eine simple Gegenüberstellung von Gewinn und Verlust. Mit genug Skrupellosigkeit war es eine logische Konsequenz.
    Doch nun hatte sich Meuren gerade zurückgezogen. Erst seit gestern wusste er, wer seine Tochter war, und heute war sie ihm schon lieber als die Gerechtigkeit. Er handelte nach dem gleichen Grundsatz wie sein Erzfeind Junk: Blut ist dicker als Wasser. So unsympathisch der Dompropst Nikolaus auch war, so nützlich war doch seine Stellung, um dem Rat der Stadt kontra geben zu können. Wer sollte nun die Verhaftung der Mörder anordnen? Welche Institution in Trier blieb jetzt noch übrig, damit Recht und Gerechtigkeit nicht untergingen? Nikolaus wusste es nicht.
    Mit müden Schritten verließ er den Dombezirk. Er konnte es noch immer nicht fassen, wie frech man ihn an der Nase herumgeführt hatte, wie unsagbar dumm er sich angestellt hatte und wie aussichtslos die Lage nun war. Gab es denn nicht mehr die geringste Möglichkeit, die Verbrecher vor Gericht zu bringen?

Mörder
    Nikolaus schlich entmutigt durch Trier. Immer wieder kreisten seine Gedanken um Helena, ihre Brüder – oder genauer gesagt Halbbrüder –, um Herrmann Albrecht, um die Schöffen, Wechsler und Zunftmeister und um von Meuren. Diese alle waren durch ein undurchschaubares und nicht zu entwirrendes Gespinst von Intrigen, Freundschaften, Feindschaften und Familienbanden verwoben. Ein idealer Nährboden für Mord und Erpressung; denn niemand konnte jemanden anklagen oder verraten, ohne selbst Gefahr zu laufen, vor Gericht gezerrt zu werden. Und die Gerechtigkeit blieb unweigerlich auf der Strecke ...
    »Schau mal, Onkel!«
    Nikolaus blieb wie angewurzelt stehen. Ein kleines Mädchen von etwa vier Jahren streckte ihm einen weißen Kieselstein entgegen. Es hatte den Kopf mit den blonden Haaren zur Seite geneigt und blinzelte spitzbübisch zu ihm hoch.
    »Der ist aber hübsch.« Langsam ging er in die Knie und betrachtete sehr aufmerksam den staubigen Stein in der winzigen Hand. »Wo hast du den denn gefunden?«
    »Da vorn.« Der kleine, süße Fratz zeigte in eine Hofeinfahrt. »Da liegen noch mehr.«
    »Du musst aber aufpassen, dass du den nicht verlierst.«
    Das kleine Mädchen nickte eifrig.
    »Den Stein musst du ganz fest in der Hand behalten.«
    »Soll ich dir auch einen holen?« Wieder legte es den Kopf auf die Seite und lächelte unschuldig.
    Plötzlich erklang eine andere, ältere Stimme. »Lisbeth, wo bist du?«
    Die Kleine schaute sich sofort um und rief: »Hier bin ich, Mama. Ich habe einen Stein gefunden.«
    Jetzt kam eine junge Frau mit einem Korb auf dem Arm um die Ecke gehetzt. Mit einem Seufzer der Erleichterung blickte sie auf ihre Tochter. »Lisbeth, du sollst doch nicht immer weglaufen.«
    »Mama, da vorn liegen aber so schöne Steine.«
    Die Mutter kam näher. »Du hast doch schon so viele zu Hause.«
    »Aber nicht so einen. Darf ich den mitnehmen?«
    Die Frau atmete einmal tief durch und nickte dann. »Natürlich darfst du das.« Und zu Nikolaus gewandt fragte sie: »Werter Herr, hat Euch meine Tochter belästigt?«
    Er lachte herzlich. »Überhaupt nicht. Sie musste ihren wertvollen Fund nur irgendjemandem zeigen. Das war glücklicherweise ich.«
    »Komm, Lisbeth. Wir müssen noch einkaufen.« Dabei hielt sie ihrer Kleinen die Hand entgegen.
    »Auf Wiedersehen, Onkel«, rief das kleine Mädchen und lief fröhlich zu ihrer Mutter. Dann gingen beide die Straße entlang, wobei die Kleine voller Tatendrang herumhüpfte, sodass ihr langer, blonder Zopf immer von einer Seite zur anderen schwang. Immer wieder musste die Mutter stehenbleiben, weil Töchterchen etwas entdeckt oder zu erzählen hatte. Schließlich verschwanden sie in einer der Nebenstraßen.
    Nikolaus richtete sich auf. Nachdenklich rieb er sich die Nase.
    »Süße, kleine Elisabeth«, murmelte er vor sich hin. »Angenommen, du wärst vierzehn Jahre älter, und man würde deinen Namen noch weiter kürzen als nur auf Lisbeth. Und wenn du dann auch noch deinen Zopf behalten würdest, wen würden wir dann vor uns sehen?«
    So schnell Nikolaus konnte, lief er die Straße zurück, über den Marktplatz und in den Dombezirk. Schnell war er in der Wachstube der Soldaten. Gottfried und eine zweite, ihm unbekannte Wache waren anwesend.
    »Wollt Ihr Euren Fehler wiedergutmachen?«, stieß der junge Mann atemlos hervor.
    Gottfried brauchte nicht lange zu

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