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Schweizer Ware

Schweizer Ware

Titel: Schweizer Ware Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Aeschbacher
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sofort die Haare, wischte mit den Händen über sein Gesicht, schluckte. In der Tat. Das war wirres Zeugs. Hirngespinste. Er zweifelte nicht wirklich daran, dass die Frauen im Kantonsspital professionell betreut worden waren. Das schloss er aus dem ganzen Ablauf, der nach dem Tod von Frau Sophia Rüdiger seinen Lauf genommen hatte. Es war ja offensichtlich gewesen, dass die Frau tot war. Alle Atemluft war vom Gewicht des in sich zusammensinkenden Körpers aus der Lunge gepresst worden. Alles Blut war aus dem Gesicht geflossen. Baumer war erstaunt gewesen, wie das Gesicht der Toten noch weißer werden konnte, als es bereits gewesen war. Ihr Gesicht war marmorn, als sie noch gelebt hatte. Doch als sie dann gestorben war, waren auch noch das letzte Rot und das letzte Grün aus ihrem Gesicht entschwunden. Leichenblässe hatte sich über ihr Gesicht gelegt. Nur die sepiafarbenen Leberflecke punkteten ihr Gesicht weiterhin und standen aus ihm nur noch deutlicher hervor.
    So war Sophia Rüdiger vor ihm gelegen. Es konnte keinen Zweifel an ihrem Tod geben. Und dennoch musste der Tod noch offiziell festgestellt werden. Das war der Stationsärztin vorbehalten. Diese war sofort gerufen worden. Sie hatte Kommissar Baumer gebeten, aus dem Zimmer zu gehen und hatte sich darangemacht, Sophia Rüdiger (geb. Müller, Jahrgang 1924) ohne Zuschauer und in aller Stille zu untersuchen. Auch wenn sie tot war, besaß die alte Frau ihre Würde. Eine Würde, die man im Spital über alles stellte und vehement verteidigte. Eine Institution, wo nicht nur darüber geschwafelt wurde, sondern dies ganz selbstverständlich war.
    Nach etwas mehr als zehn Minuten war die Ärztin aus dem Zimmer 320 getreten und hatte dem davor auf einem Stuhl wartenden Baumer verkündet, dass sie den Tod von Frau Rüdiger festgestellt habe. Dann war ein Pfleger gerufen worden. Er hatte sich der Leiche angenommen und hatte sie in die Pathologie gebracht. Dort würde sie vorerst aufgebahrt bleiben, dann für die Beerdigung zurechtgemacht werden.

    Waschen.

    Legen.

    Das war das Prozedere.
    Baumer hatte die Menschen im Spital beobachtet und wahrgenommen, dass alles professionell vonstatten gegangen war, also unaufgeregt. Der Ablauf war eingespielt und routiniert, doch geschah alles mit großem Respekt vor der Toten. Auch gab es Platz für den gesunden Menschenverstand. Hier waren Menschen am Werk, die offene Augen und ehrliche Hände hatten. Nur so konnten sie im entscheidenden Moment auch ihr Herz öffnen. Ein irrer Pfleger, der Leute umbringt? Im Kantonsspital Basel? Unmöglich. Hier gab es nichts zu ermitteln für Kommissar Baumer. Jegliches Abweichen von eingespielten und sinnvollen Abläufen zum Wohle der Patientinnen und Patienten wäre von mehreren aufmerksamen Augenpaaren erkannt worden.
    Auch waren die verstorbenen Freundinnen der Amadio alt, sicherlich mehr schlecht als recht beieinander und sie waren nicht zum Spaß ins Spital eingeliefert worden. Baumer hatte dies in einem kurzen, aber sehr zielgerichteten Gespräch mit der Stationsärztin herausgefunden. Dass diese Frauen im Spital gestorben waren, war wie zwangsläufig aus ihren Krankengeschichten gefolgt. Zwei hatten Krebs gehabt, eine hatte an Altersdiabetes und versagenden Nieren gelitten. Das hatte ihm Frau Doktor Hegemann ausdrücklich bestätigt. Dieses letzte Kapitel ihrer Lebensgeschichten war schon lange geschrieben gewesen. Dass die letzte Seite im Lebensbuch dieser Frauen umgeschlagen worden war, war für die einen langsamer, für die anderen schneller gekommen, doch nie überraschend.

    Und dennoch.

    Es war ein Mord verübt worden. Helen Amadio-Meier war gewaltsam ins Jenseits befördert worden. Diese Frau war mit den drei hospitalisierten Personen in enger Verbindung gestanden.
    Baumer saß in seinem Büro und kratzte sich die Augenbrauen. Sollte er hier insistieren? Die Fälle – waren es Fälle? – weiter verfolgen?
    Der Kommissar stützte den Kopf auf die Hand, schnaufte aus. Er schüttelte seinen Kopf, kratzte sich in seinen kurzen mahagonifarbenen Haaren. Es machte alles keinen Sinn. Das Spital war sauber, musste ganz einfach sauber sein. Es gab keine Anzeichen, ja keinerlei Grund, irgendetwas Schlimmes zu vermuten. Lea, ein Todesengel? Das konnte er sich einfach nicht vorstellen. Das Kantonsspital müsste er in naher Zukunft nicht mehr besuchen.
    Baumer packte das Handy und rief Beat Rötheli an, den Chef der Zivilen. Er wusste, was er zu hören bekommen würde. Doch er musste sich

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