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Schweizer Ware

Schweizer Ware

Titel: Schweizer Ware Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Aeschbacher
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berührte. Dann rannte er Richtung Ausgang, wo Baumer bereits die zwei Stufen der Treppe hinuntergestelzt war. »Geht’s Baumi? Brauchst du Hilfe?«, rief er ihm nach, aber er erreichte ihn nicht mehr. Er sah nur seinen Rücken und die beiden Stöcke, die dieser im rasanten Tempo seiner Schritte vor- und zurückschwang.
    Der Basler Kommissar hatte Giannis Bemerkungen nicht wahrgenommen. Er pflügte sich ohne Rücksicht nehmend breit den Bürgersteig hinunter. Eine magersüchtige Frau in Gucci und mit Brillanthalskette vertrieb er aus seiner Spur.

    *
    Kommissar Baumer traf gerade noch rechtzeitig im Polizeistützpunkt ein. Er war sichtlich erschöpft vom Gehen, Schweiß stand in großen Perlen auf seiner Stirn, und er schnaubte heftig, als er ins große Sitzungszimmer eintrat. Drinnen wartete bereits ein Dutzend Leute. Es war eine bunte Mischung aus Beamten aller Abteilungen. Streifenpolizisten saßen da, ebenso wie Verwalter, sogar die meisten Sekretärinnen waren anwesend. Baumer staunte über den ungewöhnlichen Aufmarsch an Personal. Normalerweise waren nur die bei einem Rapport dabei, die im aktuellen Fall etwas zu sagen hatten.
    Fast alle Stühle im Raum waren belegt. Baumer hätte sich mühsam durch eine Stuhlreihe kämpfen müssen, um einen freien Platz zu finden. Zum Glück machte ihm der Gefreite Meier, der in der vordersten Reihe saß, ein Zeichen und lud ihn ein, neben ihm Platz zu nehmen. Meier hatte sich ostentativ auf zwei Stühlen ausgebreitet und gab nun den reservierten Stuhl frei, damit Baumer darauf Platz nehmen konnte.
    »Messi«, knirschte Baumer kaum hörbar aus einem zu drei Vierteln geschlossenen Mund hervor.
    »Ich habe den Platz für Heinzmann freigehalten. Aber der wird auch im Stehen schlafen können«, versuchte Meier Konversation zu machen. Er lächelte.
    »Ja. Messi«, sagte Baumer nochmals.
    Meier blickte sich um, schob dann seinen Kopf zu Baumer. »Der Schläfli kommt«, flüsterte er ihm zu.
    Schläfli. Das war der Regierungsrat, der die Polizei und das Militär in Basel unter sich hatte. Schläfli, Markus (54), oberster Chef der Polizei. Das war allerdings nicht sein offizieller Titel. Als ob das Wort Polizei etwas Obszönes wäre, schien die rot-grüne Regierung diesen Begriff nicht in den Mund nehmen zu wollen. Offiziell hieß das von Regierungsrat Schläfli beaufsichtigte Departement ganz einfach Justiz- und Sicherheitsdepartement.
    Baumer wurde grimmig. Sicherheit!, dachte er. Die herzustellen, war alles andere als ein Zuckerschlecken. Es war harte Arbeit, die einem selten ein Lob eintrug, öfter noch Hass und Verachtung. Als Orden gab es höchstens solche Andenken, wie er selbst eines in den Oberschenkel verpasst bekommen hatte und das er jetzt lebenslang mit sich trug.
    Dass Polizeiarbeit Knochenarbeit war, wusste allerdings auch Markus Schläfli, der schon seit sieben Jahren im Amt war. Die erste Wiederwahl als Regierungsrat hatte er glorios hinter sich gebracht. In den letzten Monaten war sein Ruf bei den Linken aber rapide den Bach hinuntergegangen. Tatsächlich hatte sich Schläflis Haltung verhärtet, denn er hatte bei der Arbeit einige schlimme Sachen gesehen. Basel hatte sich in den letzten Jahren – wie viele Schweizer Städte – rasant verändert. Immer öfter musste er der Öffentlichkeit nicht mehr nur zu Raub, sondern zu Raub mit schwerer Körperverletzung Auskunft geben. Ein ganz schlimmer Fall war ihm besonders zu Herzen gegangen, als zwei harmlose Leute von gelangweilten Jugendlichen beinahe zu Krüppeln getreten worden waren – hinterrücks, einfach so. Fast zwangsläufig hatte er sich im Job vom Paulus zum Saulus gewandelt. Folgerichtig ließen ihn die Linken immer mehr allein im Regen stehen, dann, wenn er mehr Polizeikräfte forderte oder wenn er härteres Durchgreifen gegenüber Kriminaltouristen durchsetzen wollte.
    Den Ultrakonservativen ging er hingegen immer noch nicht weit genug. »Schläppli«, riefen ihm die extremen Rechten nach, weil er sich geweigert hatte, generell gegen Asylanten und Illegale vorzugehen.
    Dummerweise hatte er es sich auch noch mit den Liberalen verdorben, denn er hatte sich für Videoüberwachung in der Stadt eingesetzt. Der Schutz der Bürgerrechte gehörte aber zum Kanon der Liberalen. Diese ihre Jagdgründe verteidigten sie mit geladener und entsicherter Waffe in der Hand.
    Schläflis Job wackelte, und es war klar, dass er für die anstehende Erneuerungswahl zur Regierung einen Coup landen müsste. Nur wenn er mit

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