Schwelbrand
hielten.
Jürgen Schmidt wohnte in einem Viertel, in dem alle Straßen nach Küchenkräutern benannt waren. Das Reihenhaus im Merianvænget, einer Sackgasse, verriet nicht, dass hier jemand mit deutschen Wurzeln lebte. Es unterschied sich in der typischen Bauweise mit dem Flachdach nicht von seinen Nachbarn. Der kleine Vorgarten bestand aus einem schlichten Rasenstück. Zaun, Büsche und Blumen fehlten, dafür führte ein schmaler Weg zu den einzelnen Eingängen. Die Dänen liebten die Zweckmäßigkeit. So hatte man an die Straße mehrere Gruppencarports gebaut, unter denen die Bewohner der Siedlung ihre Fahrzeuge abstellten. Natürlich fehlte auch nicht der Fahnenmast, von dem im Wind der Wimpel mit den dänischen Farben wehte.
Die Einrichtung bestand aus hellen Holzmöbeln in schlichtem Design. Statt des erwarteten Fernsehers oder der Stereoanlage von B&O, einem herausragenden Beweis dänischen Designs und dänischer Technik, dominierten wie in vielen Haushalten des Königreichs japanische Fabrikate.
Jytte Schmidt hatte die beiden Beamten an der Haustür empfangen und in der etwas spitz klingenden Sprechweise auf Deutsch erklärt, ihr Mann würde im Zimmer mit Blick zum Garten sitzen. Der erwies sich als kleines grünes Areal, das unter gärtnerischen Aspekten als pflegeleicht eingestuft werden konnte. Lüder dachte an seine Nachbarin, Frau Mönckhagen, die jede Ecke ihres Grundstücks mit Büschen und Blumenbeeten bepflanzt hatte.
Schmidt sah auf, als seine Frau den Besuch auf die Terrasse führte.
»Für dich, Jürgen«, erklärte sie auf Deutsch. »Politi fra Tyskland«, fügte sie an.
»Polizei aus Deutschland?«, fragte der Lehrer erstaunt, stand auf und gab den beiden Beamten die Hand.
»Wir möchten uns dafür entschuldigen, dass wir Sie am Sonnabend stören. Betrachten Sie es bitte als inoffizielle Bitte um ein Gespräch. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass wir nicht im Auftrag der deutschen Behörden hier sind«, sagte Lüder.
Jürgen Schmidt zeigte ein jungenhaftes Lachen. Lüder schätzte ihn auf Anfang vierzig. Er war vielleicht einen Meter fünfundsiebzig groß, wenn überhaupt, hatte rotblonde Haare, die sich an den Geheimratsecken deutlich zu lichten begannen, und zeigte auf die verwitterte Gartenbank, die der Hausbesitzer in diesen Raum zum Überwintern gestellt hatte.
»Wir sehen das völlig unkompliziert«, sagte er mit einer erstaunlich hohen Stimme und griff zu einer Flasche Tuborg, die vor ihm auf dem Tisch stand. »Sie auch?«, fragte er, als er das Bier kurz anhob, als wolle er es den Beamten zeigen. Er nickte verstehend, als Lüder dankend ablehnte, während Große Jäger zustimmte. »Jytte?«, fragte er seine Frau, die wortlos verschwand.
»Wir interessieren uns für die Beziehung zwischen den Volksgruppen beiderseits der Grenze«, erklärte Lüder. »Es handelt sich um eine reine Routineangelegenheit.«
Schmidt lächelte. »Ersparen wir uns solche Floskeln. Reine Routine führt Sie nicht ins Nachbarland. Ich bin trotzdem bereit, mit Ihnen zu sprechen. Von Privatmann zu Privatmann. Also?«
»Sie haben von dem Mord in Husum gehört?«, fragte Lüder.
Der Lehrer nickte. »Sicher. Darüber hat meine Zeitung, der ›Nordschleswiger‹, berichtet. Das klang grauenvoll. Und nun glauben Sie, der Täter kommt aus Dänemark?«
»Nein«, sagte Lüder mit Entschiedenheit. »Dafür gibt es nicht den leisesten Verdacht. Wir versuchen uns nur ein umfassendes Bild zu machen. Hierzu haben wir auch mit Ihrem Pendant auf der anderen Seite gesprochen.«
Schmidt nannte die Namen der Abgeordneten des Südschleswigschen Wählerverbandes im Kieler Landtag.
»Nein«, warf Lüder ein, und bevor er fortfahren konnte, setzte Schmidt mit der Aufzählung weiterer Namen bekannter Persönlichkeiten dieser Interessenvertretung fort.
»Wir haben mit Mogens Aasgaard gesprochen«, sagte Lüder schließlich.
Schmidt stutzte. »Den würde ich nicht als legitimes Sprachrohr der dänischen Minderheit bezeichnen. Aasgaard vertritt sehr radikale Ansichten, die nur von wenigen geteilt werden.«
»Was verstehen Sie darunter?«
»Nun – ja.« Schmidt überlegte lange. Es schien, als würde er nach den passenden Formulierungen suchen. »Das Zusammenleben in dieser Region ist unkompliziert, trotz einer – sagen wir einmal – nicht einfachen Geschichte. Mal war es die eine Seite, dann die andere, die sich unbeliebt gemacht und ihre Interessen gegen Teile der Bevölkerung durchgesetzt hat. Nach dem Zweiten
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