Schwelbrand
Krone kam, hat sich die Familie auf die Seite der Sieger geschlagen und den Namen eingedeutscht.«
»Aber der Namensteil Søndervig schreibt sich doch dänisch?«
Schmidt lachte wie ein Lausbub. »Das war nach 1945, als man sich der dänischen Vorfahren besann und sich zu den Speckdänen schlug, wie man damals jene Leute nannte, die sich zu ihrer Herkunft aus dem Königreich bekannten und in wirtschaftlich schwierigen Zeiten von den Hilfslieferungen aus dem Norden profitierten.«
»Solche Menschen hat es immer gegeben«, sagte Lüder. »Es gibt auch heute noch milliardenschwere Gönner, die sich als Förderer hervortun.«
Schmidt seufzte. »Leider nur in umgekehrter Richtung, wenn Sie an das großzügige Engagement denken, das den Dänen in Schleswig eine Schule beschert hat, die in Ausstattung und Qualität ihresgleichen sucht.«
»Könnte dahinter nicht der Wunsch stecken, die heutige Grenze wieder zu verschieben?«
Jetzt lachte der Lehrer laut auf. »Das ist hanebüchen. Ich glaube nicht, dass es irgend jemanden gibt, der einen solchen Gedanken hegt.« Er nickte versonnen und sah seine Frau an, die ein großes Tablett mit Kaffe, den man hier mit einem »e« schrieb, Geschirr und dem unvermeidlichen Småkager balancierte.
»Sie sind sehr bewandert in den Familiengeschichten«, sagte Lüder.
Schmidt ließ wieder sein frisches Lachen aufblitzen. Dabei funkelten seine Augen. Er rieb sich die Hände.
»Ich unterrichte auch Geschichte. Das ist nicht einfach, wenn Sie bemüht sind, objektiv zu bleiben. Ich habe schon die merkwürdigsten Reaktionen erlebt, wenn wir zum bereits genannten Deutsch-Dänischen Krieg kommen und ich von der entscheidenden Schlacht an den Düppeler Schanzen berichte, bei der die Preußen die Dänen ordentlich vermöbelt haben.«
Diese Bemerkung brachte ihm von seiner Frau einen kräftigen Knuff in die Seite ein. Schmidt revanchierte sich, indem er Jytte umklammerte und sie kitzelte. Das kindliche Gebaren und die Unbekümmertheit passten zu seinem jungenhaften Lachen, fand Lüder und lauschte noch eine ganze Weile Schmidts spannenden Erzählungen von der wechselhaften Geschichte in diesem Teil der Welt.
Jürgen Schmidt war in das in Dänemark übliche Du verfallen und konnte auch durch Lüders Einwände in seinem Redefluss nicht gebremst werden. Andererseits frischte der Lehrer Lüders Geschichtskenntnisse wieder auf, und Lüder ließ Schmidt gewähren, da sich eventuell im weiteren Verlauf der Ermittlungen diese oder jene Hintergrundinformation als nützlich erweisen könnte.
Punkt sieben Uhr abends tischte Jytte Abendessen auf. Lüder unterstrich seinen Willen, aufzubrechen, dadurch, dass er aufstand, aber Schmidt packte ihn einfach am Ärmel und zog ihn wieder auf den Gartenstuhl zurück. Große Jäger schien schon eine ganze Weile Gefallen an dieser Art von Ermittlungsarbeiten gefunden zu haben und scheute sich auch nicht, mit Schmidt noch weitere Flaschen Tuborg zu leeren. Auch Lüders Intervention, sich zurückzuhalten, als der Lehrer die Akvavit-Flasche hervorholte, half nichts. Es war nach zwanzig Uhr, als Lüder in Jytte eine entschlossene Verbündete fand, die ihren Mann gerade noch davon abhalten konnte, mit dem Singen zu beginnen und damit doch seine Verbundenheit zur dänischen Kultur des Feierns zu bekunden.
»Wenn wir schon einmal hier sind«, sagte Große Jäger mit schwerer Zunge, »könnten wir doch gleich in Glücksburg bei diesem Grafen vorbeifahren.«
»Hast du die Adresse?«, fragte Lüder.
»Glücksburg – da gibt es doch dieses Schloss. Vielleicht wohnt der Typ dort. Hups«, entließ der Oberkommissar Luft aus dem Bauch. »Warten Sie mal«, besann er sich, kramte sein Handy hervor und rief Christoph an. »Ich brauch mal die Anschrift von Graf Koks«, sagte er.
»Was willst du?«, entgegnete Christoph.
»Die Adresse von diesem Grafen in Glücksburg, dem mit der jungen Frau. Du weißt doch, die ihn betrogen hat.«
»Spinnst du?«, erwiderte Christoph. »Bist du in der Neustadt auf Kneipentour?«
»Nee, ich bin mit dem Doktor in Dänemark. Während wir noch hart arbeiten, hockst du auf Nordstrand und lässt es dir gut gehen.« Dann bequemte er sich, Christoph ins Bild zu setzen.
Fünf Minuten später hatten sie die Anschrift, während Lüder gerade die Bundesgrenze bei Kupfermühle überquerte.
»Wusstest du, dass es ein weitverbreiteter Irrtum ist, zu glauben, dass Flensburg an der dänischen Grenze liegt?«, fragte Lüder.
Große Jäger antwortete
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