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Schwelbrand

Schwelbrand

Titel: Schwelbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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Jäger an, der ihm gegenübersaß und geduldig über die Freisprecheinrichtung zugehört hatte.
    »Mich interessiert, mit wem wir es bei unserem Besuch in Gaarden zu tun hatten«, sagte Lüder und startete erneut eine Reihe von Suchabfragen. Nach einer halben Stunde sah er auf. »Ich habe nichts Passendes gefunden«, sagte er und griff zum Telefon.
    »Mennchen«, meldete sich sein Gesprächspartner.
    »Lüders. Moin, Herr Mennchen. Ich suche jemanden, von dem ich nur den Aktionsradius und das Aussehen kenne.« Lüder beschrieb in wenigen Sätzen die Begegnung auf der anderen Seite der Förde.
    »Ich sehe nach«, versprach Mennchen. »Soll ich mich bei Ihnen melden?«
    »Ich würde Sie gern besuchen kommen.«
    »Gut. Wann?«
    »In zehn Minuten?«
    »Okay.«
    Der Verfassungsschutz in Schleswig-Holstein war kein eigenes Amt, sondern eine Abteilung des Innenministeriums, das wie viele andere Ministerien wie an einer Perlenkette aufgereiht am Düsternbrooker Weg direkt an der Kieler Förde lag. In dem Rotklinkerbau empfing sie Geert Mennchen. Der Regierungsamtmann war sicher über einen Meter neunzig groß und von massiger Gestalt. Sein rundes Gesicht hatte Pausbäckchen und wirkte sehr jungenhaft. Er hatte Ähnlichkeiten mit dem Jungen, der von der Verpackung einer bekannten Zwiebacksorte lächelte.
    Mennchen führte sie in sein enges, schlicht möbliertes Büro mit Blick zur Landseite.
    »Ich habe die Zeit genutzt, um ein wenig zu eruieren, wer Ihrer Schilderung nach in Frage kommen könnte. Ich vermute, Sie meinen den hier.« Er drehte seinen Bildschirm so, dass Lüder und Große Jäger das Bild eines Mannes sehen konnten. Es war eine ganze Serie von Fotos.
    »Genau. Das ist unser Mann. Wie sind Sie so schnell auf ihn gekommen?«
    Mennchen hob kurz die linke Hand hoch. »Das ist mein Job. Und das liegt direkt vor unserer Haustür.«
    Lüder zeigte zur Wand des Büros, hinter der die Förde lag. Auf der anderen Seite war die Werft, die sich heute auf den Bau von Marineschiffen, insbesondere von U-Booten, spezialisiert hatte, nachdem der zivile Schiffbau schon seit Jahrzehnten nach Ostasien abgewandert war. Zurück zu den Wurzeln, dachte Lüder, denn die traditionsreiche HDW – Howaldtswerke Deutsche Werft – war ursprünglich aus der ehemaligen Kaiserlichen Werft hervorgegangen, wo der marinevernarrte Wilhelm die ruhmreiche deutsche Flotte erbauen lassen wollte, um die Vormachtstellung der Engländer zu brechen und am großen Wettrennen um die Kolonien teilzunehmen. Und für die Arbeiter war nahe der Werft ein ganzer Stadtteil entstanden.
    »Wussten Sie, dass in Kiel-Gaarden, das heute zweifelsohne ein Problembezirk ist, nur fünfundzwanzig Prozent der Bevölkerung einen Migrationshintergrund haben? Wenn Sie dort durch die Straßen laufen, glauben Sie hingegen, Sie befänden sich in Istanbul.«
    »Höre ich aus Ihren Worten Vorurteile?«, fragte Lüder.
    Mennchen lehnte sich so weit zurück, dass die Lehne seines Stuhls ächzte. Er legte die Fingerspitzen aneinander und lächelte Lüder an.
    »Solche Anwürfe kenne ich. Sehen Sie. In Deutschland leben zweiundachtzig Millionen Menschen. Haben Sie einmal ausgerechnet, wie hoch der Prozentsatz derer ist, die derzeit im Strafvollzug einsitzen? Das können Sie – rechnerisch – vernachlässigen. Trotzdem leisten wir Steuerzahler uns eine teure Polizei und einen aufwendigen Justizapparat. Aber niemand kommt auf die Idee, unser Land als Polizeistaat zu bezeichnen. So ähnlich ist es mit dem, was wir hier tun. Zusammen mit Faktoren wie der aktuellen Finanzund Wirtschaftskrise, der demografischen Entwicklung und einer zunehmenden Bildungs- und Politikferne einiger Bevölkerungsschichten bildet sich ein Nährboden für extremistische Gruppierungen, auf dem sich militante und terroristische Aktivitäten entwickeln können.«
    Lüder lachte laut auf. »Das war ein exaktes Zitat dessen, was auf der Webseite Ihres Amtes steht.«
    Mennchen nickte ernst. »Richtig. Besser kann man es nicht ausdrücken. Würden sich alle Menschen, die bei uns leben, im Rahmen unserer Gesetze bewegen, wäre dies das Paradies. Wussten Sie, dass allein in Schleswig-Holstein mehr als eintausendfünfhundert Personen dem Spektrum extremistischer Ausländerorganisationen zugerechnet werden? Wir sammeln die Erkenntnisse. Sie haben die Aufgabe, die Leute bei Verstoß gegen unsere Rechtsordnung zu verfolgen. Ich beneide Sie nicht, wenn etwas völlig entgleist wie in diesem Fall.«
    »Haben Sie noch mehr

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