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Schwelbrand

Schwelbrand

Titel: Schwelbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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Schulterblätter einzog, schützte ihn nicht vor dem nasskalten Wind und dem feinen Nieselregen, der durch alle Poren drang.
    »Costa del Sol«, sagte Lüder, als sie im Auto saßen.
    »Wie?«, fragte Große Jäger.
    »Unsere Sonnenküste. Ich meine Nordfriesland.«
    »Stimmt«, antwortete Große Jäger.
    Schweigend fuhren sie zum Landeskriminalamt zurück.
     
    Lüder lehnte sich in seinem Schreibtischsessel zurück. Der türkische Rechtsanwalt ließ ihm keine Ruhe. Es waren zu viele Zufälle gewesen, die sie nach Gaarden geführt hatten. Warum sollte jemand, der in Husum, an der Westküste, die grausame Tat an Jörg Asmussen gefilmt hatte, einmal quer durch das Land fahren und an der Ostküste einem türkischen Jungen das Video auf dessen Handy überspielen? Und ausgerechnet die Eltern dieses Jugendlichen hatten Kontakt zum Rechtsanwalt mit dem eigentümlichen Geschäftsgebaren. Wie gut funktionierte die Kommunikation in dem Kieler Stadtteil? Es war erstaunlich, dass der angeblich nicht dort wohnende Kutulus innerhalb kürzester Zeit von seinem Wohnort Laboe nach Gaarden gekommen war, als die beiden Beamten Halil Kayacik bei dessen Freund ausfindig gemacht hatten.
    Lüder war dankbar, dass Große Jäger gleich nach der Rückkehr ins Landeskriminalamt zu Edith Beyer ins Geschäftszimmer gegangen war, um sich dort mit neuem Kaffee zu versorgen. Jetzt wurde er durch die laute Stimme des Oberkommissars aus seinen Gedanken gerissen. Er schmunzelte, als er vernahm, dass Große Jäger sich mit Friedjof, dem Büroboten, stritt. Beide tauchten in Lüders Büro auf, dessen Tür zum Flur offen stand.
    »Er glaubt mir nicht«, beschwerte sich der mehrfach behinderte junge Mann und zeigte auf Große Jäger.
    »Moin, Friedjof«, begrüßte ihn Lüder. Er hatte dem jungen Mann schon vor langer Zeit das freundschaftliche Du angeboten. »›Guten Tag, Herr Kriminalrat‹ heißt es, wenn man einen Raum betritt.«
    Friedjof winkte ab. »Dich sieht man in letzter Zeit so selten, dass man glauben könnte, du wärest abgetaucht. Das nennt man ›Geheimrat‹. Also …«, er sah demonstrativ auf seine Uhr, »Maaahlzeit, Herr Geheimrat. Ich bin ja nur Angestellter im öffentlichen Dienst, aber du als Beamter kannst es dir erlauben, erst mittags zu kommen. Hast du dir das selbst verordnet? Ein eigenes Rezept geschrieben? Ich meine, so als Doktor?« Dabei griente Friedjof über das ganze Antlitz.
    »Wann begreifen Postminister eigentlich, dass ich Doktor der Rechtswissenschaft und nicht der Medizin bin«, stöhnte Lüder theatralisch auf und erinnerte sich, dass Friedjof ihn schon einmal damit aufgezogen hatte, als er vorgab, Zahnschmerzen zu haben. »Was glaubt Wilderich nicht?«
    »Wie?«, fragte Friedjof.
    »Eben bist du in mein Apartment gestürmt und hast dich beschwert, dass er es nicht glaubt.« Dabei zeigte Lüder auf Große Jäger.«
    »Wieso Apartment? Nennst du dein Büro jetzt so? Aha. Stimmt. In einem Apartment wird auch geschlafen.«
    Lüder öffnete die Schublade seines Schreibtischs. Sofort zog Friedjof den Kopf ein, drehte sich um und verschwand auf dem Flur. »Jetzt wirft er wieder mit Büroklammern!«, rief er im Hinauslaufen Große Jäger zu.
    Der Oberkommissar ließ sich Lüder gegenüber am Schreibtisch nieder.
    »Ich weiß nicht, ob es damit zusammenhängt«, sagte er, »aber eben habe ich vorne«, dabei zeigte er mit dem Daumen über die Schulter in Richtung des Geschäftszimmers, »gehört, dass man in Schleswig einen Landtagsabgeordneten entführt hat. Gestern Abend.«
    »Wie bitte? Und warum erfahren wir das erst jetzt?«
    »Die Polizei wurde erst heute Vormittag informiert. Da hat es seine Frau entdeckt. Sie leidet unter Parkinson und ist anscheinend auf Hilfe angewiesen. Karl-Hermann Claussen heißt der Mann und stammt aus Schleswig. Bisher gibt es noch keine Spur.«
    »Einen Hinweis?« In Lüders Ton lag etwas Lauerndes.
    Große Jäger schüttelte den Kopf. »Wenn Sie unser Bekennerschreiben meinen … Nein. Man hat nichts dergleichen am Tatort gefunden. Auf dem Parkplatz, wo es geschehen ist, gab es Kampfspuren. Jemand, vermutlich der Entführte, hat sich offenbar auch übergeben. Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren. Man wird anhand einer DNA-Analyse feststellen, ob es von Claussen stammt.«
    »Was ist nur in diesem Land los?«, sagte Lüder mehr zu sich selbst.
    »Es muss nicht heißen, dass dieser neue Fall etwas mit unserem zu tun hat«, gab Große Jäger zu bedenken. »Es könnte auch Zufall sein.

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