Schwelbrand
im Mordfall Claussen gäbe.
»Haben Sie Verständnis dafür, dass wir nicht alle Augenblicke Statements abgeben können«, fuhr ihn ein sichtlich genervter Mitarbeiter des Kl, das umgangssprachlich »Mordkommission« genannt wurde, an.
Der Mann hatte recht, dachte Lüder. Es gab sicher zahlreiche Dienststellen und Behörden, die immer wieder nach dem Zwischenstand fragten. Hinzu kam eine endlose Flut von Presseanfragen.
»Ich möchte nur eines wissen«, bat Lüder und entschuldigte sich für die Störung. »Haben Sie ein Schreiben oder eine Nachricht gefunden, das aus einem einzigen Blatt Papier besteht? Darauf ist das halbe Landeswappen, genau genommen die Gottorfer Löwen, abgebildet sowie der Text ›Es reicht‹.«
»Das kann ich nicht sagen«, erwiderte der Beamte. »War’s das?«
Lüder wünschte ihm viel Erfolg und bat noch einmal um Entschuldigung. »Sie sollten Ihr Telefon ignorieren«, empfahl er.
»Schön wär’s«, entgegnete der Flensburger und legte auf.
Große Jäger angelte nach seinem Handy und wählte eine Nummer.
»Moin, Klaus«, sagte er, nachdem sich der Teilnehmer am anderen Ende gemeldet hatte. Lüder wusste, dass er mit Hauptkommissar Klaus Jürgensen, dem Leiter der Flensburger Spurensicherung, sprach. »Wie fühlst du dich? Endlich hast du ein Heimspiel, in Flensburg, fast direkt vor deiner Haustür. Ihr könnt sogar zu Fuß zur Dienststelle, falls ihr irgendeine Requisite vergessen habt.«
Große Jäger hörte einen Moment ins Telefon und grinste dabei Lüder an. »Okay«, sagte er und verdrehte dabei die Augen. »Ist ja gut. Ich verstehe. Ihr vergesst nie etwas. Ich wollte nur …«Er unterbrach sich mitten im Satz und hielt das Mikrofon seines Handys abgedeckt. Dabei vollzog er eine Mimik, als würde er kurz vor dem Erstickungstod stehen. »Jetzt räuspert er sich … Nun hustet er. Die Welt ist wieder in Ordnung. Klaus Jürgensen ist uns nicht böse.« Dann nahm er die Hand wieder vom Mikrofon. »Ich gönne dir einen richtig schönen und sauberen Mord. Am besten Gift, ohne Blut, Einschussloch und …« Erneut unterbrach er seine Ausführungen. »Das ist nicht wahr? – Ja, ich verstehe. – Ja, ja. – Nein, da hört der Spaß auf. – Gut, Klaus. Kannst du eine Kopie deines ersten Berichts einfach so, ohne weiteren Kommentar, an das LKA schicken? Ja, an Dr. Lüders. Noch was. Habt ihr ein Bekennerschreiben gefund … – Prima. Das schätze ich an dir. Man muss nicht lange herumreden. Mach’s gut, Klaus.«
Große Jäger steckte sein Handy wieder in die Seitentasche seiner speckigen Lederweste.
»Das ist ein Fall, der uns gehört. In der Tasche des Toten wurde ein Bekennerschreiben gefunden. Es muss noch genau untersucht werden, aber der erste Anschein bestätigt, dass es sich um unsere Täter handelt.«
Lüder hatte nur Große Jägers Anteil des Telefonats mitgehört. Ihm war nicht verborgen geblieben, dass Klaus Jürgensen noch etwas gesagt hatte. Doch er musste den Oberkommissar nicht auffordern, zu berichten.
Große Jäger schüttelte den Kopf. »Man hat dem Opfer den Kopf abgetrennt. Der lag vor den Türen des NDR-Studios Flensburg in der Friedrich-Ebert-Straße, direkt vor dem Rundbau neben dem Deutschen Haus. Den Rest hat man vor dem Eingang der Zentrale des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlages in der Nikolaistraße abgelegt.«
Lüder war schockiert. Sicher begegnete man im Laufe eines Berufslebens bei der Polizei Situationen, die den meisten Menschen erspart blieben. Dennoch gab es – Gott sei Dank nur selten – Dinge, die einen besonders berührten. Das traf in diesem Fall zu. Warum hatte man das Opfer so zur Schau gestellt? Es blieb der Rechtsmedizin vorbehalten zu klären, wie man Claussen ermordet hatte. Lüder mochte seiner Phantasie keinen freien Lauf gewähren, insbesondere wenn er daran dachte, welch grausame Methode man bei Jörg Asmussen in Husum angewandt hatte. Was waren das für Bestien, die so etwas taten? Mit Sicherheit waren es keine Sadisten oder kranke Geister, die die Kontrolle über ihr Handeln verloren hatten. Nein! Dahinter steckte System. Die Hintermänner wollten das Aufsehen, die Unruhe und das Chaos, das diese Taten und die öffentliche Berichterstattung darüber anrichteten. Und Leif Stefan Dittert spielte diesen Leuten mit der Art seiner Berichterstattung in die Hände. Lüder glaubte nicht, dass Dittert etwas damit zu tun hatte, aber die diabolischen Gegenspieler hatten diese Art des Journalismus in ihre Überlegungen
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