Schwelbrand
Makel.«
»Er ist in Wester-Ohrstedt groß geworden.«
Lüder pfiff anerkennend durch die Zähne. »Kompliment. Da habt ihr beide gut kombiniert, du und Mommsen.« Dem Husumer Kommissar war die Nähe der Herkunft zum ersten Tatort aufgefallen. Die kleine Gemeinde Wester-Ohrstedt lag an der Bundesstraße zwischen der Kreisstadt an der Nordsee und Schleswig.
»Gibt es weitere Hinweise zur Herkunft? Familie? Umgebung et cetera?«, fragte Lüder.
Große Jäger nickte. »Frosinn ist mit seiner ledigen Mutter auf einem Bauernhof aufgewachsen. Dabei habe ich an …«
Lüder wusste, was dem Oberkommissar aufgefallen war. Das sprach wieder einmal für den großartigen Kriminalbeamten, der sich hinter der schmuddeligen Hülle verbarg. Das Wohnmobil des Rentnerehepaars Lewinski, das aller Wahrscheinlichkeit nach für die Entführung Jörg Asmussens verwendet worden war, hatte man von seinem Winterunterstellplatz gestohlen. Aus Wester-Ohrstedt.
»Hast du weitere Beziehungen ermitteln können?«
»Ich bin noch dabei«, erwiderte Große Jäger und nahm das Telefon zur Hand.
Lüder durchsuchte die Datei nach Informationen, die über Heinrich Frosinn erfasst waren. Der Mann schien sich nicht davor zu scheuen, rohe Gewalt einzusetzen. Er war erst vor einem halben Jahr aus der letzten Haft entlassen worden. Vier Jahre hatte er verbüßen müssen, weil er bei einer Auseinandersetzung im Drogenmilieu seinem Kontrahenten mit einer Flasche den Schädel eingeschlagen hatte. Sein Gegner war heute schwerbeschädigt. Frosinn hatte Glück, dass das Opfer bei der Verhandlung beharrlich geschwiegen hatte, weil es selbst in Straftaten verwickelt war.
Heinrich Frosinns Vater war unbekannt. Der Onkel – der Schwager seiner Mutter – war inzwischen verstorben. »Totgesoffen«, hatte Frosinn vor Gericht angegeben. Jetzt wurde der Hof von dessen Sohn bewirtschaftet. Lüder überlegte: Das musste ein Cousin von Heinrich Frosinn sein.
»Haben wir einen Namen?«, fragte er Große Jäger.
»Moment«, erwiderte der Oberkommissar. Lüder musste ihm nicht erklären, wonach er suchte. Kurz darauf lehnte sich Große Jäger zurück. »Treffer«, sagte er zufrieden. »Da möchte ich wetten.«
Lüder ließ ihm Zeit, den Triumph einen Moment auszukosten.
»Alfred Hundt heißt der Bauer aus Wester-Ohrstedt.«
»Der Cousin«, sagte Lüder.
Große Jäger nickte. »Genau. Und die alten Lewinskis aus Kropp haben uns erzählt, dass sie ihr Wohnmobil den Winter über bei ›Alfred‹ untergestellt haben. Das wäre ein merkwürdiger Zufall, wenn es da keinen Zusammenhang gäbe.«
»Da sehen wir uns doch einmal an, was Alfred und der Frosinn in Wester-Ohrstedt getrieben haben«, schlug Lüder vor.
»Im besten Fall haben wir eine Spur, und der Frosinn wird hinterher Trübsal blasen«, stimmte Große Jäger zu.
Auf den Autobahnen herrschte nur mäßiger Verkehr. Trotzdem war das Fahren nicht angenehm. Die Wolken hingen tief, Nieselregen bestimmte durchgehend das Wetter.
In Schleswig/Schuby verließen sie die Autobahn und folgten dem Wegweiser Richtung Husum.
»Ich werde nie verstehen, wer Gefallen an den zahlreichen Kreisverkehren gefunden hat«, beklagte sich Große Jäger, der ansonsten zu Lüders Erstaunen ruhig auf dem Beifahrersitz hockte.
Lüder unterließ es, darauf zu antworten. Es war ohnehin rhetorisch gemeint. Er schwieg auch zu dem leicht müffelnden Geruch, der zu ihm herüberwehte, und mochte sich nicht fragen, ob Große Jäger regelmäßig die Wäsche wechselte. Sicher, das Ganze wurde überdeckt vom kalten Zigarettenqualm, der sich in der Kleidung des Oberkommissars festgesetzt hatte.
»Das begreifen die in Berlin nie«, beschwerte sich Große Jäger, als sie auf der Bundesstraße die kleinen Dörfer passierten. »Ich glaube, wir sind der einzige Landkreis in Deutschland, der keinen Autobahnanschluss hat.«
Wester-Ohrstedt lag zwischen der Schwestergemeinde Oster-Ohrstedt und Schwesing, das manchem als ehemaliger NATO -Flugplatz bekannt war.
»›Oster‹ hat übrigens nichts mit dem langohrigen Festtagsbraten zu tun, der im Frühjahr die bunt bemalten Eier bringt«, erklärte der Oberkommissar, »sondern steht für die Himmelsrichtung Ost.«
»Mit solch einem Allgemeinwissen habe ich mein Abitur gemacht«, antwortete Lüder.
»Aha. Vermutlich in Schleswig-Holstein.«
»Was hat man in Westfalen leisten müssen, um das Abitur zu erlangen?«
»Griechisch zum Beispiel«, brüstete sich Große Jäger.
Lüder lachte. »Du hast
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