Schwelbrand
Überwachungskameras zerstört.«
»Hat man den Täter gefasst?«
»Er ist unerkannt entkommen. Die Fahndung läuft«, sagte Lüder. »Wir ermitteln.«
»Wir?«
»Ja, unsere Abteilung des Landeskriminalamts.«
»Wie wurde Alarm ausgelöst?«
Lüder sah Große Jäger erstaunt an. »Wie man das macht. Der Ministerpräsident hat die Eins-Eins-Null angerufen.« Dann schüttelte er den Kopf. »Wie leicht hätte da mehr passieren können.« Er griff zum Telefon und rief einen Kollegen aus der Abteilung an. »Haben Sie oder die Beamten vor Ort beim nächtlichen Übergriff auf den Regierungschef ein Bekennerschreiben gefunden?«
»Sie meinen das Landeswappen mit dem Text ›Es reicht‹? Nein. Bisher nicht. Aber es wird noch vor Ort ermittelt. Die Aufnahme am Tatort ist noch nicht abgeschlossen.«
Lüder legte auf. »Vermutlich ein Trittbrettfahrer«, sagte er und sah in seinen Computer. »Wie die anderen.« Dabei zeigte er auf seinen Bildschirm. »Auf das Amtsgericht in Oldenburg hat jemand einen Farbanschlag verübt. Das trifft auch auf das Rathaus in Quickborn zu. Es gibt zahlreiche weitere Fälle, in denen man Anschläge auf öffentliche Gebäude unternommen hat. In Nortorf wurde ein Müllbehälter in Brand gesetzt. Und so weiter und so weiter.«
»Das wird noch eine Weile so laufen«, meinte Große Jäger nachdenklich.
»Viel mehr Sorgen bereitet mir die Panikmache, die solche Leute wie Dittert verbreiten. Wenn die Menschen darauf eingehen, könnte wirklich das Leben im Land gelähmt werden. Dann hätten die Täter ihr Ziel erreicht.«
»Sagen Sie das noch einmal«, forderte der Oberkommissar Lüder auf.
Lüder stutzte. »Aber warum? Welche Vorteile haben die Hintermänner davon, wenn die öffentliche Ordnung zusammenbricht?« Er überlegte einen Moment, bevor er die Frage selbst beantwortete. »Dann schwindet das Vertrauen in die Politik und in die öffentliche Verwaltung. Im ärgsten Fall regiert Anarchie. Wenn dann ein selbst ernannter starker Mann aus dem Hintergrund auftaucht, dann …«
Große Jäger schüttelte ungläubig den Kopf. »Sie meinen, da bereitet jemand einen Staatsstreich vor?«
Lüder zuckte die Schultern. »Das klingt viel zu phantastisch, als dass man es glauben möchte. Wir sind doch keine Bananenrepublik.«
»Mancher Bürger findet das schon«, gab Große Jäger zu bedenken. »Es läuft unter der großen Überschrift ›Politikverdrossenheit‹.« Um das zu unterstreichen, schwenkte der Oberkommissar seine Arme über dem Kopf hin und her, als würde er etwas in die Luft malen.
»Nein«, sagte Lüder mit Entschiedenheit. »Das mag ich nicht glauben.« Er tippte ein weiteres Mal auf seinen Bildschirm. »Es gibt auch andere Meldungen. In Rendsburg haben Unbekannte Blumen vor dem Rathaus niedergelegt und eine Nachricht hinterlassen: ›Wir glauben an euch. Wir halten zu euch. Die Bürger‹. In Kappeln hat eine alte Dame einen selbst gebackenen Kuchen zur Polizeizentralstation gebracht und sich auf diese Weise für den Einsatz der Kollegen bedankt. Bedenklich ist hingegen, dass es in Mölln eine Handvoll Leute gibt, die eine Bürgerwehr gründen wollen, weil sie dem Staat nichts mehr Zutrauen. Und die Neumünsteraner sind sicher auch nicht glücklich darüber, dass ihr Rathaus in der letzten Nacht von den Hells Angels bewacht wurde. Tatsache ist, dass wir irgendwann nicht mehr genügend Kräfte haben, um die vielen kleinen Brandnester unter Kontrolle zu halten, die sich auftun könnten.«
Lüder blätterte weiter in der Zeitung. »Das Ganze bleibt nicht ohne Wirkung. Es gibt die ersten kritischen Stimmen aus der Wirtschaft, dass man Konjunktureinbrüche befürchtet. Und die Finanzmärkte fangen auch an zu husten.«
»Das verstehe ich immer nicht«, sagte Große Jäger. »Damals schon nicht. Als bekannt wurde, dass Boris Jelzin krank war, stiegen die Benzinpreise, weil man eine Krise in der Weltpolitik befürchtete.«
»Da nennst du ein gutes Beispiel«, erwiderte Lüder. »Das ist für uns nicht mehr nachvollziehbar. Als die Probleme mit der Ölplattform und der Umweltkatastrophe im Golf von Mexiko auftauchten, hatte das auch Auswirkungen auf die Ölpreise und in deren Folge auf die Aktienkurse. Dabei war die fehlende Fördermenge aus dieser Bohrinsel an keiner Tankstelle rund um den Globus messbar.«
»Das nennt sich Globalisierung«, schloss Große Jäger die Überlegungen.
Anschließend fragte Lüder bei der Bezirkskriminalinspektion in Flensburg nach, ob es neue Erkenntnisse
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