Schwemmholz
hat versucht, der Mafia eine Falle zu stellen. Erpressen wollte er sie. Seine Verlobte hat es mir gerade eben gestanden.«
»Verlobt ist er auch noch?«, fragte Tamar. »Die arme Frau.«
»Und nun ist er weg«, fuhr Berndorf fort. »Verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt.«
»Vielleicht haben sie ihn einzementiert und in die Donau geschmissen«, sagte Tamar hoffnungsvoll. »Das heißt, wenn ich was zu sagen hätte, hätte ich den Pfuhler Baggersee vorgeschlagen.« Sie atmete durch. »Offenbar haben wir wirklich ein Problem. Ich muss Englin verständigen.«
Judith hockte auf dem Boden des Badezimmers. Die beiden Verrückten hatten ihr die Hände an den Daumen mit Bindfäden zusammengebunden, es sah harmlos aus, aber es war ganz unmöglich, den Bindfaden zu zerreißen, und wenn sie versucht hätte, den Faden mit den Zähnen durchzubeißen, hätten sie es sofort gemerkt und ihr die Hände auf den Rücken gefesselt, so wie dem Polizeibeamten, den sie mit in die Wohnung gebracht hatten und der jetzt neben ihr kauerte. Ihr Körper schmerzte auch so, jede einzelne Faser fühlte sich an, als sei sie von einer Dreschmaschine durchgewalkt.
Aus dem Wohnzimmer dröhnte Motorenlärm, hohe, auf-und abschwellende Frequenzen, mit überschlagender Stimme kommentierte ein italienischer Reporter. »Formel eins«, hatte der Mann neben ihr gesagt. »Schumacher führt.« Dann versank er wieder in seine Erstarrung. Der entsprungene Franziskaner und sein Gehilfe hatten ihn davor in die Mangel genommen, während sie allein im Badezimmer war und sich ausmalen konnte, was die klatschenden Geräusche und die Schmerzensschreie bedeuten mochten. Als sie schließlich mit ihm fertig waren und ihn wieder ins Bad stießen, sah er ziemlich verbeult aus. Aus einer Platzwunde an der Augenbraue tropfte Blut. Das Badezimmer war es ja gewöhnt.
»Schlimm?«, hatte sie ihn gefragt.
Er hatte nur den Kopf geschüttelt. Dann hatte er sich aufgerafft und geflüstert: »Merken Sie sich meinen Namen. Krauser, Alfred Krauser. Ich bin Polizist.«
Zuerst erschrak sie. Dann fiel ihr ein, dass ihr in diesem Bad niemand willkommener sein konnte als ein Polizist mit einer Platzwunde. Was immer seine Kollegen hier finden konnten, würde Polizistenblut sein und nichts anderes.
Dann kam ihr ein anderer Gedanke, und der gefiel ihr weniger. Wenn die beiden Verrückten einen Polizisten gekidnappt hatten, dann bedeutete das, dass sie sich auf ziemlich viel Ärger eingelassen hatten. Die beiden waren Gangster, die eine Geisel genommen hatten. Und denen eine zweite zugelaufen war.
Ächzend beugte sich der Mann nach vorn und machte Anstalten aufzustehen. Ohne Hilfe der Hände schaffte er es nicht. Dann versuchte er, sich gegen die Badewanne zu stemmen und sich an ihr hochzuschieben. Judith sah ihm interessiert zu. Sie wusste nicht, wie sie ihm hätte helfen können. Die Tür öffnete sich, der Gehilfe schaute herein. »Du noch eins auf Gosche?«
Der Mann sah Hilfe suchend zu ihm hoch. »Ich muss auf die Toilette.« Der Gehilfe grinste, kam herein und zog ihn hoch.
»Da will ich aber nicht zugucken müssen«, sagte Judith. Der Gehilfe zögerte, ging zur Tür zurück und stellte in einer Sprache, die wie ein sehr raues Italienisch klang, eine Frage.
»Okay«, sagte sein Chef und lachte kurz. Der Gehilfe nickte und half auch Judith auf. Sie stolperte ins Wohnzimmer. Die Rolläden waren heruntergelassen, im Fernsehen kurvten rote und silberblaue Boliden über einen Rennkurs. Der Mann, der in dem Sessel vor dem Fernseher saß, hatte wieder seinen Hut aufgesetzt und in den Nacken geschoben.
Judith setzte sich auf die Couch. Der Mann sah zu ihr herüber. »Sie könnten mich eigentlich hier sitzen lassen«, sagte Judith. »Es ist sehr hart auf dem Boden da drinnen.« Sie zeigte mit den gefesselten Händen zum Bad. »Ich lauf Ihnen hier so wenig davon wie da drinnen.« Sie versuchte ein sorgfältig dosiertes Lächeln, zaghaft und nur ein ganz klein wenig kokett.
»Wenn Sie ein bisschen nett zu mir sind, hab ich ja gar keinen Grund wegzulaufen.«
Der Chef – sie hatte beschlossen, ihn so zu nennen – nahm die Zigarre aus dem Mund und begann, Judith langsam und abschätzend zu betrachten. Judith setzte sich aufrecht hin und schlug das eine Bein über das andere. Unter der Jacke des Trainingsanzugs zeichnete sich ihr Busen ab.
Ein Lächeln lief über das Gesicht des Chefs. Dann erstarb es wieder. Aus dem Bad hörte man ein Plätschern.
Irgendwo draußen und in
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