Schwemmholz
und schob den Pappbecher über den Tisch. Berndorf nahm einen Schluck. Aus dem Pappbecher kann man es ertragen, dachte er.
»Rodek sagt also zu Welf, er soll sich endlich wehren wie ein Mann«, fuhr sie fort. »Und dann will er wissen, wo die Schwachstellen von Gföllner sind. Aber Welf fällt nichts ein. Und ich sage, es stimmt ja nicht, dass der Gföllner nicht auch schon mal den Kürzeren gezogen hat, zum Beispiel bei dem Projekt in Wiesbrunn. Und Rodek will wissen, was das für ein Projekt war, und ich sage ihm, dass es ein läppisches Feuerwehrhaus war, aber dass Gföllner von einer italienischen Baufirma unterboten worden sei.«
Sie trank ihren Becher aus und goss nach. »Und wie ich das mit den Italienern sage, ist Stefan hin und weg. Er hasst Italiener, vermutlich, weil sein Vater einer war, ich weiß es nicht genau, man durfte ihn nicht danach fragen. Ihr wisst ja gar nicht, was da abgeht, sagt er, das ist die Mafia, die da ins Geschäft drängt. Und als Erstes, sagt er hier an diesem Tisch, hetzen wir jetzt dem Gföllner die Mafia auf den Hals.«
Sie griff wieder nach dem Becher, ließ dann aber die Hand sinken. »Es war absolut verrückt, aber Welf war fasziniert. Rodek hatte Kontakt zu Skinheads, die ihn gerne angeheuert hätten. Ihm selber waren die Glatzen im Kopf zu blöd, erklärte er uns, aber für eine Aktion gegen die Italiener genau die richtigen Leute. Und so ist es dann auch gelaufen.«
»War eingeplant, dass da Leute hätten ums Leben kommen können?«
Judith schüttelte unwirsch den Kopf. »Sind ja nicht. Außerdem war es nicht meine Idee.«
Berndorf war nicht zufrieden. »Ich habe Sie so verstanden, dass der Anschlag Gföllner angelastet werden sollte. Aber die Sache erschien von Anfang an als eine Aktion von fremdenfeindlichen Skinheads.«
»So sollte sie auf den ersten Blick auch aussehen. Aber nicht auf den zweiten. Rodek hatte vor, Hinweise zu platzieren. Er wollte den Kanister mit dem Dieselöl auf dem Gföllner-Bauhof verstecken und dann der Polizei einen Tipp geben. An dem Kanister hätte man Erdspuren von der Baustelle gefunden.«
»Wissen Sie, wo dieser Kanister abgeblieben ist?«
Judith verzog ihr Gesicht zu einem Lächeln, das fast anmutig erschien. »Hier. Unten in der Bootswerkstatt. Rodek hat den Kanister noch in der Nacht zu mir gebracht. Aber weil ich das Ding nicht im Haus behalten wollte, hab ich es hierher mitgenommen. Übrigens wäre das nicht Rodeks einziger Trick gewesen. Er hätte den Skinheads Geld für eine große Sause zugesteckt und ihnen gesagt, das sei die Erfolgsprämie von Gföllner. Rodek rechnete damit, dass die Mafia sich einen der Skinheads greift und das mit der Erfolgsprämie aus ihm herausprügelt.«
»Wo hätte er das Geld hergehabt?«
»Komisch, dass Sie das fragen. Welf hätte es kaum übrig gehabt. Aber Rodek hatte einige Wochen, nachdem er hier erschien, plötzlich Geld.« Abrupt hörte sie zu reden auf.
»Wie viel Geld? Einige Tausender? Fünfzig vielleicht?«
»Ich weiß nicht«, antwortete Judith ausweichend. Berndorf sah ihr an, dass sie log, hakte aber nicht nach. Es war nicht notwendig. Das Geld hatte Rodek vom Polizeispitzel Hugler, dem Toten unter der Haschischplantage. Er brauchte auch nicht zu fragen, warum Rodeks schöner Plan zunächst nicht aufgegangen war. Der eine Skinhead hatte es zu plump angestellt,
als er sich das Dieselöl besorgte, und der andere hatte sich zu früh betrunken. Und Rodek war in Haft gekommen, ehe er seine falschen Fährten legen konnte.
Tief in seinem Kopf ringelte sich eine tückische Frage. Wenn die Polizei so tüchtig war – wieso hatte Gföllner dann doch die Mafia auf den Hals bekommen? Die Antwort lag auf der Hand. Es waren seine eigenen Ermittlungen gewesen, die die Mafia auf den Plan gerufen hatte. Er selbst hatte Rodeks Falle zum Zuschnappen gebracht.
»Und Rodek hat dann Veihle umgebracht«, nahm er den Faden wieder auf. »Weil Veihle ein Versager war, oder weil er ihn als Zeugen beseitigen wollte, was weiß ich. Vielleicht wollte er auch, dass es wie ein Racheakt der Mafia aussieht, um sie noch mehr zu provozieren.« Mögen alle diese Toten in Frieden ruhen, dachte er. Aber was war mit Hartmut Sander?
»Da ist der zweite Brief«, sagte Schmoltze, »geschrieben zwei Tage nach dem ersten.« Auf dem Bildschirm erschien der Briefkopf. Wieder war Welf der Empfänger, wiederum war kein Absender angegeben. Kuttler beugte sich vor und las:
Sehr geehrter Herr Welf, Sie werden sich
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