Schwemmholz
ruhen. Dann richtete sie sich wieder auf. »Deine Kollegin mit der klaren Stimme hat mich angerufen, ich habe einen Flieger genommen und in Echterdingen einen Leihwagen, es gab zwar nur ein Opel-Cabriolet, rasend peinlich, aber was tu ich nicht alles für dich!«
»Eigentlich ist es mir nicht recht. Wenn du kommst, will ich meine Gliedmaßen bewegen können.«
Barbara zuckte die Achseln. »Man muss eben nehmen, was man hat. Erzählst du mir jetzt, was passiert ist?«
Berndorf versuchte es. Barbaras Augen wurden groß.
»Was hast du?«, fragte sie zum Schluss. »Du hast auf den geschossen? Richtig aus dem zerquetschten Auto heraus?« Berndorf nickte beschämt.
»Ich beginne, dich mit anderen Augen zu sehen. Du kommst mir vor wie John Wayne in Alamo.«
»Du sollst mich nicht zum Lachen bringen wollen. Das tut mir in den Rippen weh.« Er lächelte sie schief an. »Außerdem hatten sie in Alamo keine Autos dabei. Davon abgesehen bin ich der lausigste Schütze. Die Pistole hatte ich nur aus Vergesslichkeit noch im Wagen.«
»Mein lieber Freund, du hast damit einen Killer in die Flucht geschlagen. Kampfunfähig hast du ihn geschossen.«
»Hab ich nicht. Der Pfarrer von der Pauluskirche hat ihn verjagt. Er hat einen Daimler dazwischengestellt. Sonst hätte ich jenes größte Geheimnis erfahren, von dem Lichtenberg sagt, dass es noch keiner ausgeplaudert hat. Die Empfindung, wenn einem der Kopf abgehauen wird. «
»Kommen Sie herein«, sagte Oberstaatsanwalt Desarts und bat Tamar an seinen Besprechungstisch. Mit einem kurzen Kopfnicken begrüßte Tamar die beiden Männer, die schon dort saßen. Es waren Kriminalrat Englin und der Chef des Dezernats Wirtschaftskriminalität Tautka. Englins linkes Augenlid antwortete mit einem zweimaligen Zucken. Eins von Tautkas Augen blieb auf die Schale aus Kristallglas fixiert, die in der Mitte des Tischs prangte und mit Karamell-Sahnebonbons gefüllt war. Desarts war überzeugt, dass es kein besseres Mittel gebe, um einen verstockten Kunden zum Reden zu bringen.
Kein Wunder, dachte Tamar, dass er es auf dem Magen hat.
»Schlimme Geschichte, das«, sagte Desarts. »Wie geht es Berndorf?«
Tamar berichtete, was ihr die Ärzte gesagt hatten. »Neben kleineren Verletzungen und Prellungen hat er ein Schleudertrauma, und – vor allem – einen komplizierten Bruch des linken Schien- und Wadenbeins.«
»In unserer derzeitigen personellen Situation hat uns das gerade noch gefehlt«, klagte Englin. Tamar schaute ihn strafend an. »Dazu kommt«, fügte er beflissen hinzu, »dass der Vorfall unsere Kollegen außerordentlich beunruhigt. Es deutet ja einiges darauf hin, dass es sich um einen Anschlag gehandelt hat.« Tautkas zweites Auge richtete sich auf Englin. »Was wir wirklich wissen, ist: Es hat einen Unfall gegeben. Und dass Kollege Berndorf auf den zweiten beteiligten Fahrer das Feuer eröffnet hat. Man kann das alles auch anders interpretieren.«
Wut kroch in Tamar hoch. »Warum unterschlagen Sie, dass es einen Zeugen gegeben hat? Einen Zeugen, der gesehen hat, wie Berndorfs Wagen gerammt und immer weiter zur Seite gedrückt wurde. Und der seinen Wagen dazwischengesetzt hat, als der Lastwagenfahrer erneut rammen wollte?«
Tautkas bleiches Gesicht wandte sich ihr zu. »Warum erregen Sie sich? Ich weise nur darauf hin, welche Interpretationen auch möglich sind.«
Tamar fühlte sich nur noch ohnmächtig.
»Aber nehmen Sie sich doch bitte eines«, sagte Desarts eifrig. Tautka riss sein Auge von der Bonbonniere und hob ablehnend beide Hände.
Englin ergriff die Initiative. »Nun sind wir aber hier, um über einen Haftbefehl gegen Herrn Gföllner zu sprechen. Offen gesagt, möchte ich deutlich machen, dass die Ermittlungsbehörden entschlossen jedem Verdacht nachgehen werden, Berndorf sei das Opfer eines Anschlags geworden.«
Was redest du da, dachte Tamar. Es war ein Anschlag. Es ist nicht bloß ein Verdacht.
»Auf der anderen Seite ist mir äußerst unwohl, was die Verdachtsgründe gegen Herrn Gföllner betrifft«, fuhr der Kriminalrat fort. Sein Augenlid zuckte besorgt.
Unwohl ist ihm, dachte Tamar. In was für ein Tantenkränzchen bin ich da geraten! »Erstens«, sagte sie entschlossen, »gibt es Hinweise, dass die Firma Gföllner Schikanen gegen das italienische Bauunternehmen Edim SA in Auftrag gegeben hat.« Sie schaute entschlossen in das bleiche Gesicht Tautkas. Eines der Augen gab den Blick eisblau zurück. »Zweitens ist bei der Leiche des Axel Veihle ein
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