Schwemmholz
nicht hier«, antwortete das Kind. »Der ist in Ulm. Beim Gericht in Ulm ist der.«
Welf trat um 15.10 Uhr in das Büro, das sich Tamar nun schon seit einiger Zeit mit Kuttler teilte. In Welfs Begleitung war ein mittelgroßer Mann mit leicht gerötetem Gesicht und Stirnglatze, um die sich ein kurz geschorener grauer Haarkranz zog.
»Simpfendörfer«, stellte sich der Mann vor, »ich bin Herrn Welfs Anwalt und sage Ihnen gleich, dass dies nicht meine einzige Befassung mit dieser Angelegenheit sein wird. Die Art und Weise, in der Sie meinen Mandanten vorgeladen haben, ist dringend klärungsbedürftig.«
»Aber so nehmen Sie doch Platz«, unterbrach ihn Tamar und wies einladend auf die Holzstühle, die auf der Besucherseite ihres Schreibtisches standen. »Ich darf Sie außerdem mit meinem Kollegen bekannt machen, Kriminalkommissar Kuttler. Er wird an diesem Gespräch teilnehmen.« Kuttler stand artig hinter seinem Schreibtisch auf und verbeugte sich leicht.
»Ob es hier zu einem Gespräch kommt, ist noch gar nicht heraus«, erklärte Simpfendörfer, nahm aber trotzdem einen der Stühle und setzte sich. »Wir erwarten zunächst eine Erklärung von Ihnen.«
»Offenkundig hat Ihr Herr Mandant Ihnen nicht gesagt,« antwortete Tamar, »dass bei der Gasexplosion in seinem Haus ein Mensch ums Leben gekommen ist. Dass drei weitere Menschen nur um Haaresbreite dem Tod entkommen sind. Das ist ein Sachverhalt, über den sich nicht so einfach zwischen kaputter Tür und nicht vorhandener Angel plaudern lässt.«
»Da sehen Sie es«, sagte Welf zu Simpfendörfer. »Ich hab es nie glauben wollen, dass man mit der Ulmer Polizei nicht kooperieren kann. Jetzt weiß ich es besser.«
»Wir lassen uns das einfach nicht gefallen«, erklärte Simpfendörfer und stand abrupt wieder auf. »In diesem Ton reden Sie nicht mit mir. Ich werde zu Herrn Kriminalrat Englin gehen, und dann werden wir weitersehen. Vorher geht gar nichts.«
»Da tun Sie ganz recht«, sagte Kuttler und lächelte Simpfendörfer an. »Ich habe erst heute Morgen mit Kriminalrat Englin über den Fall gesprochen. Eine scheußliche Geschichte, findet er. Und es ist auch wirklich zu dumm.« Er öffnete seine Schreibtischschublade und zog eine Zeitung heraus. Zu Tamars Verwunderung war es die »taz«. »Eben erst hat in Berlin ein Prozess gegen einen Hauseigentümer begonnen.« Er wedelte mit der zusammengefalteten Zeitung einladend vor Simpfendörfers Gesicht. »Es ist ein Mordprozess. Der Eigentümer soll jemanden angestiftet haben, ein Mietshaus mit einer Gasexplosion in die Luft zu jagen. Worauf die Menschen nicht alles kommen!« Kuttler schüttelte den Kopf. »Ja, und Kriminalrat Englin fände es ganz entsetzlich, wenn auch nur der Schatten eines Verdachts bliebe, dass sich hier in Ulm Ähnliches abspielen könnte. Wir müssen alles tun, hat er mir gesagt, damit auch nicht ein Fitzelchen Unklarheit bleibt, wie es zu dieser Gasexplosion gekommen ist.« Kuttler lächelte. »Er hat es sogar noch etwas deutlicher ausgedrückt.«
Zögernd nahmen die Besucher wieder Platz. »Ich hätte gerne von Ihnen gewusst, Herr Welf«, fragte Tamar, »wer den Mieter für die Wohnung unter der von Skrowoneks vermittelt hat.«
»Das weiß ich nicht mehr«, antwortete Welf. »Gut möglich, dass der Mann unseren Bauleiter gefragt hat, und mein Büro hat ihm dann einen befristeten Mietvertrag ausgefertigt.«
»Verstehe ich Sie recht: Sie haben sich diesen Mieter nicht angesehen?«
»Die Wohnung ist abgewohnt, wie das ganze Haus. Wozu soll ich mir einen Mieter ansehen, der sowieso nur für die Zeit bis zum Abriss bleibt?«
»Da sind aber noch andere Mieter im Haus gewesen«, hakte
Tamar nach. »Mieter mit einer langen Kündigungsfrist. So schnell hätten Sie das Haus also gar nicht abreißen lassen können. Hätten Sie da nicht ein bisschen darauf achten müssen, welchen Nachbarn Sie Ihren anderen Mietern zumuten?«
»Sie fangen schon wieder an«, sagte Simpfendörfer.
»Hören Sie, da waren nur noch diese alten Leute«, meinte Welf, »und denen habe ich eine großzügige Abfindung angeboten.«
»Und als sie die nicht annehmen wollten, haben Sie den Herrn Tanko – so heißt er in der Szene – ins Haus geholt?«
Welf richtete sich auf. »Ich gebe mir alle Mühe, Ihnen Auskunft zu geben«, sagte er. »Aber offenbar ist es Ihnen nicht möglich, mir ohne Ressentiments gegenüberzutreten.«
»Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet.«
Welf nahm die Brille ab und rieb sich
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