Schwere Schuld / Der Wächter meiner Schwester - Zwei neue Romane in einem Band
gekrümmten Finger zu sich. Er bahnte sich schnell einen Weg durch die Menge. »Noch einmal mein herzlichstes Beileid, Mrs. Grayson.«
Lucille konnte ihn nicht verstehen. Sie rief: »Gehen Sie in den Salon. Ich bin in zwanzig Minuten bei Ihnen.«
Barnes hatte keine Ahnung, wo der Salon war. Er war nie über den Eingangsbereich hinausgekommen.
Davida hatte ihn immer draußen getroffen. Sich davonzustehlen war ein Teil des Reizes gewesen.
Sie beide unter den Sternen, vom Mentholduft der Eukalyptusbäume umgeben, durchsetzt mit einem schwachen Hauch Pferdescheiße.
Ihre Haare, ihr rasches Luftholen …
Er drückte sich durch die Menge und suchte nach dem Salon.
Wer hatte in diesen Tagen noch einen Salon? Amanda, mindestens so stilvoll wie Lucilles Freunde, sah ihn und kam zu ihm herüber.
»Sie will sich mit uns im Salon treffen, wo immer das sein mag.«
»In einem Haus wie dem hier dürfte er an der Seite mit einem Fenster zur Veranda liegen.«
Sie zeigte in die Richtung, und er folgte ihr, drückte sich wieder durch die Menge, bis er einen harten Schlag auf die Schulter spürte.
Er schaute sich um und sah sich mit Jane Meyerhoffs stählernem Blick konfrontiert.
Sie rief: »Kann ich dir irgendwie helfen?«
»Wo ist der Salon?«
»Warum?«
»Dort will Lucille sich mit mir treffen.«
Jane zeigte genau in die gleiche Richtung wie Amanda. Sie nahm Barnes bei der Hand und begleitete die beiden Detectives zu einer mit Schnitzarbeiten verzierten Tür, trat einen Schritt vor und riss sie auf.
Der Raum war muffig, hoch und mit schweren roten, goldgesäumten Samtvorhängen ausgestattet. Polstersessel und plüschige Ottomanen waren zu formellen Sitzgruppen zusammengestellt. Eine hinten verspiegelte Walnuss-Bar war mit Flaschen und Kristallgläsern bestückt.
In Barnes’ Augen ähnelte der Raum einem Bordell in einem Spaghetti-Western. Er fragte sich, ob Davida irgendwelche Jungs hierhergebracht hatte.
Jane machte die Tür hinter sich zu und musterte Amanda von Kopf bis Fuß. Beide trugen schwarze Kostüme, waren elegant und gepflegt. Wie auf einem Foto bei einem Wohltätigkeitsbankett.
»Jane Meyerhoff.« Sie streckte eine Hand aus. »Ich glaube, wir sind uns noch nicht begegnet.«
»Amanda Isis.«
»Hätten Sie gern etwas zu trinken?«
»Wasser.«
Janes Blick wanderte zu Barnes.
»Ich trinke alles, was du mir eingießt.«
»Nun ja«, sagte Jane, während sie die Flaschen in Augenschein nahm, »Lucille hat Glenlivet, Glenfiddich, Glenmorangie … Trinkst du nicht immer Bourbon?«
»Dann und wann.«
»In der zweiten Reihe stehen Wild Turkey, Knob Creek -«
»Jane, alles ist okay. Und nur einen Fingerbreit. Wir machen unsere Aufwartung, aber wir machen auch unsere Arbeit.«
»Arbeit bei Lucille?«
»Wo immer sie uns hinführt. Vielen Dank, dass du uns den Weg gezeigt hast.«
»Kein Problem.« Jane goss die Drinks ein, gestand sich selber zwei Fingerbreit Wodka zu. »Lucille bat mich, heute die Dinge in die Hand zu nehmen. Du weißt schon, den Pöbel abfertigen.« Sie neigte den Kopf zur Tür hin. Wogen von Geplapper sickerten durch das Holz. »Ich habe nicht gesprochen. Das hätte Minette provozieren können.«
»Weder die Zeit noch der Ort dafür«, sagte Amanda.
»Genau.«
»Kommen du und Minette nicht gut miteinander aus?«, fragte Barnes.
Jane nahm einen großen Schluck Wodka. »Niemand kommt mit Minette gut aus. Falls ihr mich entschuldigt, ich sollte nachsehen, wie es Lucille geht.« Sie eilte hinaus.
»Minette ist ein heikles Thema«, sagte Amanda.
Bevor Barnes antworten konnte, ging die Tür auf, und Lucille betrat das Zimmer, in der einen Hand einen Stock, in der anderen Janes Arm.
Barnes stellte ihr einen Sessel bereit, und Jane ließ die alte Frau in ihm Platz nehmen.
»Möchten Sie etwas trinken, Lucille?«
»Johnnie Walker auf Eis. Red oder black, im Moment schmecke ich keinen Unterschied.«
Als Jane ihr eingoss: »Mach einen doppelten draus, meine Liebe.«
»Vielen Dank, dass Sie uns empfangen, Mrs. Grayson«, sagte Amanda.
Lucille packte den Griff ihres Gehstocks fester. Geschnitztes Elfenbein - eine Frauenbüste. »Vielleicht sollte ich Ihnen danken. Es ist ein verdammt guter Vorwand, da vorne rauszukommen.«
Jane reichte ihr den Drink, und Lucille putzte ihn mit erstaunlicher Geschwindigkeit weg. »Ah, das tut gut. Übernimm du für mich, Janey. Jemand muss die Stellung halten.«
»Sind Sie sicher, dass Sie mich hier nicht brauchen?«, fragte Jane.
Lucille machte
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