Schwere Schuld / Der Wächter meiner Schwester - Zwei neue Romane in einem Band
Im Erdgeschoss des Gebäudes lagen alle öffentlichen Räume, die beiden Stockwerke darüber enthielten Zimmer für die Mitglieder.
Mutter war seit mehr als fünfzig Jahren Mitglied der Vereinigung und blieb manchmal über Nacht in einem Zimmer, das viel zu bescheiden für sie war. Aber die Beiträge waren symbolisch, und Nostalgie hatte auch ihren Wert. Sie aß häufig im Club zu Abend. Sie kam sich dann immer als etwas ganz Besonderes vor.
Davida kam sich dann immer wie ein Freak vor, aber sie biss die Zähne zusammen und fand sich mit Mutters Vorlieben
ab, weil die Frau achtzig Jahre alt und nicht mehr sehr gesund war.
Bei den meisten Abendessen hieß es, Mutter und in verschiedenen Zusammensetzungen liebe Freundinnen am Tisch zu haben, von denen jede einzelne mehr als einen Schritt hinter der Zeit herhinkte. Das gesamte Konzept der Association mit ihren vornehmen Gatsby-Ansprüchen wäre überall anachronistisch gewesen. Nirgendwo war es absurder als hier in Berkeley.
Einen kurzen Spaziergang vom Club entfernt lag der People’s Park, der ursprünglich als Monument der Redefreiheit konzipiert, aber mittlerweile auf einen quadratischen Block von Obdachlosenlagern und improvisierten Suppenküchen reduziert worden war. Gute Absichten in der Theorie, aber die braune Fläche stank nach ungewaschenen Leibern und verfaulenden Nahrungsmitteln, und an warmen Tagen machte jeder, der nicht mit einer verstopften Nase gesegnet war, einen weiten Bogen darum.
Nicht weit von dem Park lag das Gourmet Ghetto, das für Berkeleys Mischung von Hedonismus und Idealismus typische Mekka für Leute, die gerne und gut aßen. Und alles dominierend: die University of California. Diese Kontraste waren es, die der Stadt einen einzigartigen Charakter verliehen, alles zugedeckt von einem ganz entschiedenen Standpunkt.
Davida liebte die Stadt mit all ihren Schwächen und Stärken. Obwohl linksgerichtet und stolz, war sie jetzt Teil des Systems, ordnungsgemäß gewählte Abgeordnete des kalifornischen Bezirks 14. Sie liebte ihren Bezirk, und sie liebte ihre Wähler. Sie liebte die Energie und das Elektrisierende einer Stadt, die von Menschen mit Leben erfüllt wurde, denen bestimmte Themen nicht egal waren. Ganz anders als ihre Heimatstadt Sacramento, wo es eine respektable Freizeitbeschäftigung war, andere durch den Dreck zu ziehen.
Und dennoch pendelte sie zur Hauptstadt des Staates zurück.
Alles für eine gute Sache.
Heute Abend herrschte in dem Speiseraum mit der gewölbten Decke, in dem leise Gespräche geführt wurden, kein Mangel an mit gestärktem Leinen, funkelndem Silber und Kristall gedeckten Tischen, wohl aber an Speisenden. Mitglieder starben weg, und sehr wenige Frauen entschieden sich dafür, in die Fußstapfen ihrer Mütter zu treten. Davida hatte sich vor ein paar Jahren der Association angeschlossen, weil es aus politischen Gründen ein kluger Schritt war. Sie kannte die meisten Mitglieder als Freundinnen ihrer Mutter, und sie genossen die Aufmerksamkeit, die sie ihnen schenkte. Ihre finanziellen Beiträge waren an ihrem Vermögen gemessen knauserig, aber zumindest spendeten sie etwas - was mehr war, als Davida von einer Menge ihrer eigenen angeblich altruistischen Freunde sagen konnte.
Heute Abend saßen Davida und Mutter für sich. Ihr Kellner reichte ihnen Speisekarten, und Davida und ihre Mutter überflogen schweigend die Auswahl des Abends. Die Hauptgerichte, die früher vornehmlich aus Steaks und Koteletts bestanden, hatten sich der heutigen Wirklichkeit gefügt, in der man mehr nach Hühnchen und Fisch verlangte. Das Essen war vorzüglich, das musste Davida zugeben. In Berkeley war schlechtes Essen fast genauso eine Todsünde, wie Republikaner zu sein.
Mutter bestand darauf, mit dem Kellner zu flirten, einem elfenhaft wirkenden Mann in den Dreißigern, der ohne Zweifel schwul war. Mutter wusste verdammt gut, dass er schwul war, aber sie klimperte mit den Wimpern wie eine verträumte Heranwachsende.
Tony spielte seine Rolle, indem er lächelte und zurückklimperte. Seine Wimpern stellten Mutters in den Schatten -
sie waren dichter und dunkler, als es die eines Mannes verdienten.
Davida wusste, dass Mutter sich Sorgen machte und diese mit ihrer falschen Fröhlichkeit zu maskieren versuchte. Hielt sich immer noch mit dem Vorfall auf.
Obwohl es ihr letzte Woche wie eine große Sache vorgekommen war - und mit Sicherheit erniedrigend -, hatte Davida inzwischen genügend Abstand gewonnen, um es als das zu sehen,
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