Schwert des Aufruhrs
Nagelring nicht Harrison gesteckt hatte, um die beiden zu trennen.
Ganz sicher war dem Prinzen dieser Gedanke gekommen, als Julian vorzeitig zurückkehrte, weil er aus dem Lyranischen Commonwealth ausgewiesen worden war. »Bei Caleb rechne ich ja mit so etwas!«, hatte ihn Harrison angefahren. Darauf war eine dreißigminütige Standpauke gefolgt.
Danach hatte Julian sich geschworen, weder seinen Prinzen noch das Andenken seines Vaters je wieder so zu enttäuschen.
»Bist du gerade erst aufgestanden oder gerade erst heimgekommen?«, fragte er.
»Ach, Julian.« In einem plötzlichen Energieschub setzte sich Julian auf, schwang die Beine von der Liege und wickelte sich die Decke wie einen Umhang über die Schultern. Er griff sich den Kaffee und nahm einen kräftigen Schluck, gerade so, als würde er einen Schuss guten Sour Mash Whiskey kippen. »Eine Ballistikfahrer hat uns den Sonnenaufgang über der Antarktis und den Nachmittag im Himalaja gezeigt. Der Abend brachte dann das Nordlicht über einem Gebiet namens Yukon. Du solltest auch ein paar dieser Rundreisen machen. Was für ein Abenteuer!«
»Ich hoffe, auch noch die Zeit dafür zu finden«, erwiderte Julian, aber an den Davion-Erben war sein Sarkasmus verschwendet. Er atmete laut aus. »Und, wer ist sie?«
»Ich habe keine Ahnung.« Immerhin war er klar genug, die Verwirrung auf Julians Miene zu erkennen. »Es ist ein Spiel.« Er erklärte seinem Vetter kurz, wie er seine mysteriöse Begleiterin kennengelernt hatte.
Obwohl die Davion Guards Calebs Zeitplan und Kontaktliste nicht überprüft hatte, wie es bei Harrison der Fall war, erstaunte es Julian doch, dass sie derartige Begegnungen erlaubten, ohne die Frau zu überprüfen. Andererseits konnte es gut sein, dass sie an Calebs Exzesse gewohnt waren, so wie auch Harrison und Julian ihm einiges durchgehen ließen. Aber er nahm sich vor, zumindest ein Wort mit Calebs Sicherheitsleuten zu wechseln.
»Steck deine Nase nicht in Angelegenheiten, die dich nichts angehen, Julian.« Nichts Spielerisches lag jetzt mehr in Calebs Tonfall. »Ich wäre sehr verärgert, wenn du mir mein Spiel verdirbst.«
»Ich tue nur meine Pflicht, Caleb. Aber ich werde diskret sein. Versprochen.«
»Diskret. O ja, das passt zu dir, nicht wahr? Diskret und ach so ernst. Jedenfalls meistens.« Wieder spöttelnd neigte er den Kopf und zwinkerte ihm, halb von der Sonnenbrille verdeckt, übertrieben zu. »Aber lass dich nicht aufhalten.«
Mit dem Fuß zog Julian einen Stuhl nahe genug heran, um sich in bequemer Entfernung von Caleb setzen zu können. Die beiden jungen Davions starrten einander über Calebs dampfende Kaffeetasse hinweg an. Julian schmeckte das bitter erdige Aroma in der Luft und bekam selbst Appetit.
»Danke«, sagte er. »Aber genau genommen bin ich gerade fertig. Eine Besprechung mit Riccard.«
Die Erinnerung ließ ihn die Stirn runzeln. »Es gibt neuen Ärger auf Neuhessen, und möglicherweise auch auf Chesterton. Ich hätte nicht gedacht, dass Liao so stur sein könnte, eine zweite Front zu eröffnen, noch während er im Krieg mit der Republik steht.«
»Ja, ja.« Caleb wedelte herablassend mit der Hand. »Ich bin sicher. Dr. Strange hatte jede Menge Furcht erregender Vorhersagen für die Zukunft«, stellte er fest und benutzte damit einen alten Spitznamen für Riccard Streng. »Soll heißen, deine nächste Besprechung.« Über den dunklen Gläsern bewegte Caleb vielsagend die Augenbrauen.
Was ganz und gar nicht zum nächsten Termin auf Julians Kalender passte. »Mir bleiben noch ein paar Stunden bis zu meinem Gespräch mit Erik Sandoval-Gröll. Weswegen auch immer der mich sprechen will. Ich vermute, er hat sich auf meinen Terminplan gedrängt, nachdem ihm Harrisons Leute eine Abfuhr erteilt haben. Wieso, ist er schon da?«
Caleb hob die freie Hand und zog die Sonnenbrille auf die Nasenspitze, um ihn über den Rand anzuschauen. Seine haselnussbraunen Augen waren von zu wenig Schlaf gerötet, aber immer noch klar. »Niemand, der >Erik< heißt, ist so hübsch, Jules. Und selbst wenn sie eine ziemliche Portion ist - zumindest laut den Berichten, die ich gesehen habe -, mir wäre doch neu, dass zu ihren Lastern auch das Annehmen von Männernamen gehört.«
Jules? Julian stand auf.
O nein!
Caleb grinste breit. »Ich habe sie ja heute zum ersten Mal getroffen, auch wenn ich nicht unbedingt in der Verfassung für ein längeres Gespräch war. Vater dürfte einen Anfall bekommen, wenn er erfahrt, dass sie hier
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