Schwert und Laute
ist mit der Brigade geritten.«
Liam brummte etwas und wandte seine Aufmerksamkeit den Flammen zu. »Vielleicht eine der Frauen? Hast du das Gefühl, eine von ihnen könnte dir feindlich gesonnen sein?«
»Nein.«
Seufzend rieb er sich die Augen. Ich stand auf, ging zu dem großen Schrank und kramte zwischen den Bohnensäcken herum. Ich zog die Holzschachtel hervor und hielt sie ihm hin. Er sah mich verblüfft an.
»Wie kommst du dazu?«
»Ich habe sie wiedergefunden, als ich vor einigen Tagen die Liste der fehlenden Vorräte aufgestellt habe. Sie war unter den Handtüchern versteckt, und...«
Ich bedeutete ihm, die Schachtel zu nehmen. Mit leerem Blick, zögernd, sah er darauf. Dann nahm er sie und öffnete sie, und als er sah, was darin lag, erbleichte er. Ein rauer Ton stieg aus seiner Kehle auf.
»Was hat das zu bedeuten?«, brachte er schließlich nach langem Schweigen heraus.
Er schüttelte den Kopf und berührte die feuerrote Strähne vorsichtig mit einem Finger. Er wusste, wem diese roten Locken gehörten, doch er wagte es nicht auszusprechen. Die Wahrheit war zu schrecklich, um sie in Worte zu fassen.
Wir hatten unser Lager auf einer Lichtung in der Nähe von Killin aufgeschlagen. Eine Gruppe von acht Männern, darunter Alasdair Macdonald, der die Interessen des Hauses Keppoch vertrat, John Cameron, der achtzehnte Kriegsführer des Lochiel-Clans, sowie Adam waren nach Finlarig aufgebrochen, um zu einem Gespräch mit dem alten Fuchs Breadalbane vorgelassen zu werden. Begleitet wurden sie von Kriegern, die ihren Schutz gewährleisten sollten.
Ein gestohlener Ochse briet über einem Feuer, in dessen Schein der Stahl der Messer, die Broschen und das Lächeln der Männer aufblitzten. Bezüglich des Diebstahls von Vieh waren sehr strenge Anweisungen ausgegeben worden. Erlaubt war er nur zur Versorgung der Brigade, aber nicht, um sich zu bereichern.
Eine gewisse Anspannung war im Lager mit Händen zu greifen. Unruhig warteten die Männer auf die Antwort aus Finlarig. Liam war besonders still. Auf der Suche nach ein wenig Privatsphäre entfernten wir uns vom Lager und drangen in das Unterholz
ein, um einen Platz zu finden, an dem wir vor neugierigen Blicken geschützt sein würden. Wir folgten einem halb überwachsenen Weg und kamen in einem Steinkreis heraus.
Zunächst stand ich wie vom Donner gerührt vor diesen geheimnisvollen Steinen, die eine uralte heidnische Kultur, über die wir kaum etwas wussten, aufgerichtet hatte. Dann stieg eine Woge von Erinnerungen in mir auf. Ich legte die Hände flach gegen eine der von Moos und ockerfarbenen Flechten überwachsenen Granitstelen. Die Zeit hatte den Stein geglättet, der sich unter meinen Fingern weich anfühlte. Ich schloss die Augen, lehnte mich mit der Wange an den kalten Stein und ließ die Bilder in mir aufsteigen.
Damals musste ich neun oder zehn Jahre alt gewesen sein. Tante Nellie hatte mir erlaubt, sie an die Küsten von Antrim, in der Nähe von Carncastle, zu begleiten, wo sie ihre Schwester Deidre besuchen wollte. Nellie behauptete, sie sei eine Art Druidin oder Priesterin. Wir hatten den dreißigsten April, die Beltane-Nacht, das Feuerfest des Belenus, des keltischen Sonnengotts.
Vor meinen geschlossenen Lidern sah ich plötzlich wieder die Gestalt eines Mannes in einer langen weißen Robe, die sich vor den Flammen eines Feuers abhob. Das Feuer brannte in der Mitte eines Steinkreises wie diesem hier. Deidre hatte mir erlaubt, das Fest mitzuerleben. Ich hatte ihr nur feierlich versprechen müssen, mich in dem hohen Gras zu verstecken und dort zu bleiben. Doch ich war so gefesselt gewesen, dass ich nicht einmal daran gedacht hatte, mich von meinem Beobachtungsposten wegzurühren.
Eine hohle Stimme erklang über uns. Der Druide hatte die Arme zum Himmel erhoben. »Wir sind hier, um Dana, die Göttin der Erde, und Belenus, den Gott der Sonne, zu ehren. Wir erweisen ihnen Ehre und bitten sie, uns zu segnen und das Licht und die Wärme auf unsere Erde zurückzuschicken ...« Ich spürte, wie die Beschwörungen und Gesänge, die aus dem goldfarbenen Nebel aufstiegen, tief in mir eine Saite anschlugen. War es möglich, dass in meinen Adern die vergangenen Spuren einer fernen Kultur flossen und nun erwachten?
Ich erlebte einen Moment purer Magie. Die bodhran, die flachen Trommeln, erklangen, während man eine verschleierte Jungfrau
heranführte, die für die rituelle Vereinigung bestimmt war. Sie tanzte, wirbelte herum und zog Kreise um einen
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