Schwert und Laute
sie oben am Steilhang auf der Lauer lagen. Aber wo war Calum?
Rasch zählte ich die Männer am Strand ab und stellte fest, dass er nicht bei ihnen war. Meine Sorge wuchs: Also wusste Liam noch nichts von Barbers Anwesenheit. Ich verließ mein Versteck, riss meinen Rock los, der sich in den Stacheln des Ginsterbusches verfangen hatte, und stolperte den Rest des Abhangs hinunter, wobei ich im Dunkel immer wieder auf Steinen, die ich nicht sehen konnte, ausrutschte.
Ich strauchelte über ein Hindernis, fiel hin und rappelte mich wieder auf. Alarmiert vom Knirschen der Kieselsteine fuhr Liam herum. Ich befand mich in der Schusslinie seiner feuerbereiten Pistole und erstarrte.
»Liam...«
»Caitlin? Also nein... was in Gottes Namen hast du hier zu suchen?«
Ängstlich lief ich zu ihm.
»Du bist so etwas von leichtsinnig, Frau! Ich hatte dir doch befohlen...«
»Liam, du sitzt in der Falle...«
»Was meinst du?«
»Barber und seine Männer erwarten dich oben am Steilhang mit drei Fuhrwerken. Sie sind euch gegenüber in der Überzahl.«
Er löschte die Lampe, so dass wir plötzlich im Finstern standen. Ich konnte buchstäblich hören, wie er nachdachte, während sein Blick suchend über die Krone des Hanges glitt. Seine Männer hatten soeben das letzte Boot entladen und begannen jetzt, Whiskyfässer hineinzustapeln.
»Erzähl«, sagte er leise.
»Ich habe sie vorbeiziehen gesehen und Calum geschickt, um euch zu warnen ...«
»Der Junge war nicht hier.«
»Liam, der Verräter... Bist du sicher, dass du mit niemandem außer Simon und Thomas gesprochen hast?«
Er verstummte kurz, und ich spürte, wie sich unter meiner Hand seine Muskeln anspannten.
»Dieser Bastard!«, stieß er gereizt zwischen den Zähnen hervor.
Ein Schuss krachte. Ich spürte, wie ich unter einen Karren gestoßen wurde, schlug mir dabei den Kopf an einem Rad an und spuckte Speichel und Sand aus. Die Männer schrien und liefen wild durcheinander, um hinter den Wagen Deckung zu suchen. Weitere Schüsse folgten. In unserer Gruppe brach Panik aus. Liam kam auf allen Vieren zu mir gerutscht.
»Dieser Mistkerl! Der kleine Drecksack! Wenn ich den in die Finger bekomme, schicke ich ihn gleich ad Patres .«
Wütend schlug er mit der Faust in den Sand, fluchte und stieß den Namen des Verräters hervor.
»Was sollen wir jetzt tun?«, fragte ich vorsichtig.
Er sah in die Richtung, aus der die Schüsse gekommen waren. Nichts rührte sich. Er gab mir keine Antwort, sondern dachte wahrscheinlich über unsere Aussichten nach, ungeschoren davonzukommen. Ich wusste, dass er versuchen würde, seine Ladung zu retten. Die Ware – Waffen und Munition – war mehr als tausend
Pfund Sterling wert. Schlimmstenfalls würde er versuchen, sich einen Teil zurückzuholen.
Ich bewegte mich nicht. Nicht weit von uns entfernt rief ein Mann Liam an, doch dieser wies ihn an, im Moment nichts zu unternehmen. Wir mussten warten, bis wir die Position des Feindes kannten. In bedrückender Stille verstrich die Zeit. Ich sah, wie eines der Boote lautlos das Weite suchte. Die Seeleute hatten sich flach auf den Boden geworfen und ließen sich durch die Brandung vom Ufer wegtragen. Auf dem Strand zeichneten sich die Umrisse zweier Leichen ab. Etwas weiter weg stöhnte ein Verletzter. Liam zog eine seiner Pistolen aus dem Gürtel, spannte den Hahn und reichte sie mir.
»Ich hatte gehofft, das niemals tun zu müssen«, sagte er fast unhörbar, »aber jetzt habe ich keine andere Wahl. Nimm sie und benutze sie nur im äußersten Notfall. Auf weitere Entfernungen ist die Treffsicherheit nicht besonders groß. Du musst warten, bis du dein Ziel nahe vor dir hast. Und... ich flehe dich an, drück bitte nicht ab, wenn ich mich in deiner Schusslinie befinde.«
»Ich werde es versuchen«, murrte ich gekränkt.
Er sah mich einen Augenblick lang durchdringend an, dann beugte er sich zu mir herüber und küsste mich.
»Komm mit mir, a ghràidh, wir machen einen kleinen Spaziergang. Hier kannst du nicht bleiben, das ist zu gefährlich.«
Ich hatte keine Zeit für eine Antwort; er lief bereits auf den Steilhang zu. Ich rannte ihm nach, als über uns ein Schuss losging. Kurz wurde ein Gesicht vom Mündungsfeuer erhellt. Dann eine zweite Detonation, und wir wussten, wo sich der Feind befand. Ein schriller Pfiff erklang; Liam hatte das Signal zum Angriff gegeben. Am Strand setzten die Männer sich in Bewegung. Sie kamen aus ihren Schlupfwinkeln hervor, huschten flink durch das Dunkel und
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