Schwert und Laute
ihn, die Whiskyflasche mitzubringen. Dann löste er langsam und vorsichtig den Verband, untersuchte die Wunde und verzog das Gesicht.
»Wir werden Alkohol darüber schütten müssen, meine Schöne«, meinte er kopfschüttelnd. »Der Schnitt ist nicht sehr breit, aber ich kann unmöglich abschätzen, wie tief er geht. Außerdem bezweifle ich, dass dieser verfluchte Campbell sich die Mühe gemacht hat, seine Klinge zu reinigen, ehe er Euch verletzt hat.«
Liam brachte die Flasche und nahm meine Hände.
»Atmet tief durch.«
Der Whisky brannte wie Feuer. Ich schrie auf und grub meine Fingernägel in die Handflächen Liams, der sich nicht rührte. Ich stand in Flammen. Der scharfe Geruch des Whiskys stieg mir zu Kopf. Ich stand kurz davor, in Ohnmacht zu fallen, als Colin mir eine mit kaltem Wasser getränkte Kompresse in den Nacken legte. Der Nebel, der uns umgab, schien sich hinterlistig in mein Gehirn einzuschleichen und unterband jeden zusammenhängenden Gedanken. Mein zerschlagener und schmerzender Körper schwebte. Vage nahm ich Hände wahr, die meinen Verband erneuerten.
Mit geschlossenen Augen ließ ich mein Schamgefühl fahren und ergab mich dem Schmerz, der jetzt meinen Geist und meinen Körper vollständig ausfüllte. Er hatte etwas doppelt Grausames, denn er erinnerte mich an einen anderen, den ich erst kürzlich empfunden hatte – ebenso stechend für den Körper, aber, oh, wie viel zerstörerischer für die Seele! Gott bestrafte mich, davon war ich überzeugt. Seit dem Moment, in dem ich in einer kalten Januarnacht jene unwiderrufliche, furchtbare Entscheidung getroffen
hatte, wusste ich, dass ich mein ganzes Leben lang den Preis dafür bezahlen würde.
»Hier, trinkt«, sagte Liam kurz darauf und hielt mir die Feldflasche hin. »Ihr habt es Euch verdient.«
Ich nahm zwei kräftige Schlucke, mehr um das Leiden meiner Seele zu betäuben als das meines Körpers.
»Ihr seid stark, Frau.«
Ein zynisches Lachen stieg mir in die Kehle.
»Habe ich eine andere Wahl?«
Er sah mich an, und auf seinen Lippen malte sich ein blasses Lächeln.
»Nein, wohl nicht.«
Sein Lächeln verschwand, und er verzog angewidert den Mund. Seine Stimme klang jetzt ernster.
»Was dieser Mann Euch angetan hat, ist unverzeihlich. Ich konnte nicht umhin, die... blauen Flecken zu bemerken...«
»Welche blauen Flecken?«
»Auf Euren Schenkeln, Caitlin. Hat Dunning Euch das zugefügt?«
Ich schlug die Augen nieder, denn ich vermochte seinem Blick nicht länger standzuhalten.
»Wie lange habt Ihr dieses Ungeheuer ertragen?«
»Bitte, ich möchte nicht darüber sprechen.«
»Hmmm... Wir alle haben dunkle Winkel in unserem Herzen, Orte, an denen wir unsere schlimmsten Albträume vergraben. Ich kenne mich damit aus.«
»Was ich ertragen habe, könnt Ihr Euch nicht vorstellen. Ihr wisst doch gar nichts über mein Leben.«
»Vielleicht nicht. Und dennoch erkenne ich diesen inneren Schmerz, der in Euch wohnt.«
Ein drückendes Schweigen breitete sich zwischen uns aus. Ich hob den Kopf. Seine Miene hatte sich verändert. Jetzt wirkte er so traurig. Langsam fuhr er mit der Hand über den goldenen Flaum, der einen Teil seines Gesichts verbarg. Ich verlegte mich darauf, seine Hände zu betrachten. Sie waren groß und rau und mit lauter kleinen Abschürfungen bedeckt und zeugten von einem Leben voll harter Arbeit. Ich zweifelte nicht daran, dass sie gewaltsam
und gnadenlos zupacken konnten, und doch hatten sie sich auf meiner Haut so zart angefühlt.
Dieser Mann strahlte eine ruhige Kraft aus, doch zugleich eine unterdrückte Wut, die ein winziger Funke zur Explosion bringen konnte. Wer war er wirklich? Manchmal zeigte er eine entsetzliche Kälte, und bei anderen Gelegenheiten, so wie jetzt, konnte er von einer entwaffnenden Sanftheit sein. Ich wusste von ihm nur, dass er Schmuggler war, was ihn streng genommen nicht zu einem sehr vertrauenswürdigen Menschen machte. Und dennoch hatte er, abgesehen von seiner Körpergröße, nicht das Furcht einflößende Aussehen, das man bei einem Banditen erwartet hätte. Ich hatte nichts mehr zu verlieren und daher blindlings mein Leben in seine Hand gelegt, und ich bereute es nicht.
»Ihr begleitet uns nach Glencoe. Alles andere kommt in Eurem Zustand nicht in Frage.«
Ich erhob keine Einwände, denn so etwas hatte ich schon vorausgesehen.
»Ist es noch weit bis zu Eurem Tal?«, fragte ich und lehnte mich an den Baum hinter uns.
Er sah mich an, dann schlang er die Arme um seine
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