Schwerter der Liebe
du bist dafür geschaffen, eigene Kinder zu haben und deren Vater so zu lieben, wie eine Frau einen Mann liebt.«
»Sollte er mich nicht auch lieben?«
»Das wird er, wenn Gott es so vorgesehen hat und wenn du es dir wünschst.«
»Warum sollte ich es mir nicht wünschen?«
»Ach, chere, manchmal fühlt es sich sicherer an, auf Liebe zu verzichten, anstatt um sie zu bitten. Nur die Mutigen erfahren, was im Herzen desjenigen steckt, den sie in einer Ehe finden, wie du sie eingehen wirst.«
Juliette berührte mit ihrer Wange Gabriels Kopf. »Mir würde der Gedanke nicht gefallen, dass ich lediglich wegen der Jungs geduldet werde.«
»Dann musst du das Risiko eingehen.«
»Und wie?«
»Das wirst du wissen, wenn die Zeit gekommen ist.«
Diese Antwort war zwar unbefriedigend, doch mehr würde Valara nicht sagen, das wusste Juliette. Stumm saß sie da, schaukelte sanft vor und zurück.
Bis zum Mittagessen, das ihre Mutter wie gewohnt um drei Uhr servieren ließ, war Nicholas noch nicht zurückgekehrt. Juliette fragte sich kurzzeitig, wo er wohl geblieben war, doch sie hatte keine Zeit, sich darüber weiter Gedanken zu machen. Gabriel wurde unruhig und delirierte geradezu, da er weinte und wiederholt nach seiner Mutter rief. Juliette konnte ihn keinen Moment ins Bett legen, ohne dass er sofort wieder nach ihr rief. Valaras Elixier wollte er nur schlucken, wenn sie ihn dabei hielt. Bei jedem Versuch, ihm mehr als jeweils nur einen winzigen Schluck zu geben, drohte er sich sofort zu übergeben.
Es war Paulette, die diese unerfreuliche Entdeckung machte, als sie vorübergehend den Jungen hielt, während Juliette etwas aß. Paulette war davon überzeugt, Gabriel würde nicht bemerken, dass ein Zwilling durch den anderen ersetzt und dass er einfach so umsorgt wurde. Diese Einschätzung entpuppte sich als Fehler, der es für Paulette erforderlich machte, sich komplett umzuziehen. Juliette dachte unwillkürlich, dass der Zwischenfall seine guten Seiten hatte, sorgte er doch dafür, dass sie von ihrer Schwester und deren schnippischen Bemerkungen über Straßenkinder und deren Krankheiten erst einmal eine Weile verschont blieb. In der Stunde am Nachmittag, die für Besuche freigehalten wurde, war schließlich Monsieur Daspit derjenige, der sich Paulettes bittere Klagen anhören musste, während in Juliettes Schlafzimmer wieder Ruhe und Frieden herrschten.
Schließlich konnte sie Gabriel dazu bewegen, noch einmal eine halbe Tasse des Tranks zu sich zu nehmen, dann wiegte sie ihn in den Schlaf und legte ihn in ihr Bett, als sie plötzlich auf dem Laubengang leise Schritte hörte, die sich langsam näherten. Sie deckte den Jungen zu und drehte sich in der Erwartung um, Nicholas davon zu berichten, dass es dem Jungen ein bisschen besser ging. Doch dann sah sie den Umriss eines Mannes, der schmaler als Nicholas war und der einen Arm in einer Schlinge trug. Ihre Miene verhärtete sich, als Paulettes zukünftiger Ehemann in ihr Schlafzimmer trat.
»Ach, wie rührend.« Daspit betrachtete den Jungen im Bett, runzelte die Stirn und sah dann Juliette an. »Ich vermute, Ihnen ist noch nicht in den Sinn gekommen, welche Belastung dieser kleine Straßenjunge für Ihre Maman und Ihre Schwester darstellt, nicht wahr?«
»Er ist krank, und er hat kein Zuhause. Was soll ich machen? Ihn zurück auf die Straße schicken?« Während sie redete, entfernte sie sich vom Bett und ging auf Daspit zu, weil sie fürchtete, die Stimmen könnten den Jungen aufwecken.
»Schicken Sie ihn zurück zu dem, der ihn hergebracht hat.
Schicken Sie ihn in ein Waisenhaus, wo er hingehört. Schicken Sie ihn meinetwegen sogar zum Teufel. Aber Sie sollten nicht zulassen, dass er noch diejenigen ansteckt, die Ihnen näher am Herzen liegen sollten.«
»Monsieur, man könnte fast meinen, Sie würden sich vor einer Ansteckung fürchten«, erwiderte sie voller Wut über seine Äußerung. »Was Sie das Ganze jedoch überhaupt angeht, ist mir völlig unverständlich. Sie sind noch nicht das Oberhaupt dieser Familie, und soweit mir bekannt ist, sind Sie bislang nicht einmal offiziell mit meiner Schwester verlobt.«
»Lange Freundschaft und ehrliche Absichten geben mir das Recht, meine Meinung zu äußern. Ihre Schwester ist untröstlich wegen Ihres starrsinnigen Versuchs, ihren Platz einzunehmen, und nun zeigen Sie, dass Sie weder um ihr Wohlergehen noch um das Ihrer Mutter besorgt sind. Und das ist nur ein Beispiel für die Unruhe, die Sie in diesem Haus
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