Schwerter der Liebe
im Eingang zu ihrem Schlafzimmer stehen. Sorge und schmerzliche Erinnerungen ließen tiefe Falten auf ihrem Gesicht erscheinen, und nachdem sie eine hilflose Geste mit einem Handtuch in ihrer Hand gemacht hatte, hielt sie es sich vor den Mund, sodass von ihr nur noch erstickte Laute zu hören waren.
»Es ist schon gut, Maman. Mach dir keine Sorgen«, sagte Juliette, doch ihre Stimme klang etwas schroff.
»Es tut mir so leid, chere, aber ich kann das nicht. Das weißt du.«
»Sind die anderen Jungs noch da?«
Ihre Mutter machte eine Geste in Richtung Innenhof. »Ja, da unten.«
»Könntest du dafür sorgen, dass sie etwas zu essen und zu trinken bekommen?«
»Aber, chere ...«
»Bitte, Maman.«
»Ja, natürlich. Wenn du darauf bestehst. Es soll mir niemand nachsagen, ich hätte kein weiches Herz.«
Juliette sah ihr einen Moment lang nach, dann konzentrierte sie sich wieder auf den Jungen, der ihre Aufmerksamkeit wirklich nötig hatte.
Als kurz darauf eine weitere Kanne Wasser in die kleine Wanne gegossen wurde, stutzte Juliette und hob den Kopf. Es war Nicholas, der die Kanne gebracht hatte. Sie lächelte ihn flüchtig an, um ein wenig von der Angst zu vertreiben, die ihm ins Gesicht geschrieben stand. Er erwiderte das Lächeln, doch der Ausdruck in seinen Augen blieb. Das Sonderbare daran war, dass diese wortlose Verständigung ihr etwas von der eigenen Angst nahm, die sie verspürte.
Erst als Gabriel mit den Zähnen klapperte, seine Lippen leicht bläulich waren und er eine Gänsehaut hatte, gab Valara das Zeichen, dass sie ihn aus dem Wasser nehmen konnte. Nicholas machte das, während Juliette ihn in ein dickes Handtuch wickelte und ihn in die Arme nahm. Dann ging sie zu einem Schaukelstuhl, der vor dem Kamin stand, in dem ein Feuer brannte, setzte sich hin und legte den Jungen auf ihren Schoß. Sie sprach beruhigend auf ihn ein, ohne sich um die Feuchtigkeit zu kümmern, die ihr Kleid und die Unterröcke durchdrang.
Valara beobachtete sie einen Moment lang, tauschte einen besorgten Blick mit Nicholas, dann begab sie sich nach unten in die Küche, um einen ihrer Heiltränke vorzubereiten, jene Mischungen, die sie immer dann anrührte, wenn jemand krank war.
Die Stille im Zimmer, als Juliette mit Nicholas allein war, machte sie nervös. Sie hielt den Blick gesenkt, rieb dem Jungen die Haare trocken und strich sie ihm aus dem Gesicht, wobei sie merkte, wie eine seltsame Sanftheit von ihr Besitz ergriff. Gabriel war so klein, so verwundbar, und er hatte auf der Straße von der Hand in den Mund leben müssen. Der bloße Gedanke versetzte ihr einen Stich ins Herz.
»Danke«, sagte Nicholas mit erstickter Stimme. »Sie sind wirklich ein Engel.«
»Nein«, widersprach sie. Es war gut gemeint, doch das wollte sie jetzt nicht hören.
»Aber selbstverständlich. Wer etwas anderes denkt, der ist ein Narr.«
Sie kniff die Lippen zusammen, sagte ihm dann aber doch, was er erfahren sollte: »Er wird vielleicht nicht überleben. Das erinnert mich an die Krankheit, die mir meine Schwester und meinen Bruder nahm.«
»Sollte ich den Doktor kommen lassen?«
»Valara meint nicht. Er kam mit seinen Abführmitteln und den bitteren Pillen her, als die anderen krank waren. Meine Mutter ließ zu, dass er sie untersuchte, doch Valara warf die Medikamente sofort weg, als sich der Zustand der beiden nur verschlechterte. Sie weigerte sich, mir und Paulette etwas davon zu geben. Wir haben überlebt, die anderen nicht. Ich vertraue ihr und werde Gabriel von ihrem Trank geben. Danach liegt es allein in Gottes Händen.«
»Wie lange ... ? «
Er sprach seine Frage nicht aus, doch das war auch nicht nötig. »Ich glaube, wir werden es am Morgen wissen.«
»Gut.« Er versuchte tief durchzuatmen, doch seine Kehle war wie zugeschnürt.
»Vielleicht sollten Sie nach Hause gehen und sich umziehen. Ich werde es Sie wissen lassen, wenn ... wenn sich irgendetwas ergibt.«
Er sah auf die Flecken auf seiner Jacke und verzog den Mund, dann schüttelte er den Kopf. »Ich werde gehen, aber ich würde gern wieder herkommen.«
»Unverzüglich, meinen Sie?«
»Wenn ich darf.«
Wie sollte sie etwas dagegen einwenden? Es war sein gutes Recht, besorgt zu sein, ganz gleich wie schwer es ihr auch lallen mochte, ihn in ihrer Nähe zu wissen.
»Ich bezweifle, dass meine Mutter es verbieten wird, solange Valara hier ist.«
»Ausgezeichnet. Es wird nicht länger als eine Stunde dauern.«
Sie nickte und sah ihm nach, wie er langsam rückwärts
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