Schwerter der Liebe
ihre eigenen Kinder zu kümmern und um Gabriel abzupassen, falls er doch noch zum Haus kommen sollte. Nicholas entdeckte unterwegs den Wachmann, der durch das Viertel ging und die Uhrzeit ausrief. Der Mann hörte sich an, was geschehen war, konnte dann aber nur den Kopf schütteln. Den kleinen Gabriel hatte er schon seit ein paar Tagen nicht mehr gesehen, und es tat ihm leid zu hören, dass er krank geworden war. Er würde die Augen offenhalten, aber mehr konnte er auch nicht versprechen.
In Augenblicken wie diesen fühlte sich Nicholas als Fechtmeister völlig hilflos und überflüssig. Was nützte es, dass er mit lässiger, kühler Miene durch die Straßen ging und im Frühnebel einer beliebigen Zahl von Männern gegenübertrat, dass er sich einer stählernen Klinge stellte, ohne mit der Wimper zu zucken, dass er eine Verletzung mit einem Schulterzucken abtat, als hätte man ihn mit einer Nadel gestochen? Was nützte ihm all das, wenn er nicht verhindern konnte, dass den Menschen etwas zustieß, die ihm am Herzen lagen? Er war der beste Maitre d'armes in New Orleans, und doch konnte er nicht die groß anlegte Suche starten, die notwendig gewesen wäre, um einen kleinen Jungen wiederzufinden. Trotz allem fehlte ihm die Macht, dafür zu sorgen, dass Gabriel nichts geschah. Unbändige, aber ohnmächtige Wut trieb ihn an, während er sich hinunter zum Fluss begab, um sich seinen Freunden anzuschließen, damit er mit ihnen zusammen die Straßen absuchen konnte, im Schatten der Bäume an der Place dArmes und in den Arkaden des Cabildo ebenso Ausschau zu halten wie zwischen den aufeinandergestapelten Transportkisten an den Docks. Die Wut war noch immer da, als Caid und Rio schließlich nach Hause gingen, um nachzusehen, ob der Junge inzwischen irgendwo aufgetaucht war, während Blackford Nicholas zum Fechtsalon begleitete, da er hoffte, dass Squirrel und die anderen sich dort eingefunden und Neues zu berichten hatten.
Noch wollte er sich nicht in die unsicheren Stadtviertel jenseits des Vieux Carre begeben, er weigerte sich sogar, darüber nachzudenken, dass das notwendig werden könnte.
Als sie sich dem Salon näherten, trat überraschend Juliette aus dem Schatten der Arkade vor dem Hauseingang hervor. Valara war dicht hinter ihr und hielt eine Laterne in der Hand, die auf dem Kopfsteinpflaster lange, bizarre Schatten warf. In dem flackernden Licht erschienen die beiden wie Geister, zumal sie dunkle Mäntel trugen, die im auffrischenden Wind flatterten. Die Gesichter wirkten im Lichtschein fahl, die Augen schwarz und unergründlich tief.
»Haben Sie ihn gefunden?«, wollte er wissen und ging zügig auf sie zu.
»Nein, aber wir fanden eine Nachricht.« Juliette hielt inne und biss sich auf die Unterlippe.
»Sagen Sie es mir.«
Sie kam näher und musterte ihn. »Er ist in Sicherheit — jedenfalls kann man das so sagen.«
Eine plötzliche Angst regte sich in ihm, die durch den Ausdruck in Juliettes Augen noch verstärkt wurde. »Was ist es? Was ist geschehen?«
»Paulette kam am Abend nicht nach Hause.«
»Und?«, hakte er ungeduldig nach, da er jetzt weder Zeit noch Interesse hatte, sich etwas über irgendwelche Indiskretionen ihrer Zwillingsschwester anzuhören.
»Wie Sie wissen, sollte sie mit Monsieur Daspit und dessen Mutter ins Theater gehen. Doch von da hätte sie schon vor einer Weile wieder zurückkommen müssen. Maman wurde immer unruhiger, und ich ging in ihr Schlafzimmer, um
ihr Riechsalz zu holen. Als ich die Schublade aufzog, fand ich dort eine Nachricht von Paulette, die an Maman gerichtet war. Paulette wusste, wenn sie nicht wieder auftaucht, würde sich Maman so aufregen, dass sie früher oder später nach dem Riechsalz greifen würde.«
»Soll das heißen ...«
Sie schluckte. »Paulette und Monsieur Daspit sind durchgebrannt, um zu heiraten.«
»Und sie ließen eine Nachricht zurück«, murmelte Blackford. »Das unvermeidliche schlechte Gewissen.«
»Sie sind auf dem Weg nach Gretna«, sagte Nicholas, der sofort verstand, was hier ablief.
»Wir können sie vielleicht noch aufhalten, ehe sie und Daspit ein Boot gefunden haben, mit dem sie übersetzen können.« Blackford machte den Eindruck, als würde er auf der Stelle losrennen wollen.
»Er wird dafür gesorgt haben, dass ein Boot auf sie wartet, darauf kannst du dich verlassen.«
»Dann müssen wir ihm eben folgen.«
»Nein.« Juliette trat vor, um Blackford eine Hand auf den Arm zu legen.
Der sah sie verwundert an. »Aber sie ist
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