Schwerter der Liebe
frischen Duft umgeben zu sein, den sie für gewöhnlich verströmte. Dennoch würde er zukünftig wohl wieder auf seine eigene Olivenölseife zurückgreifen.
Er hatte den Schaum abgewaschen und wollte soeben aus der Wanne steigen, als er hörte, wie auf der anderen Seite der Schirmwand die Tür zum Schlafzimmer geöffnet wurde. Leise hielt er inne und wartete ab, wer eingetreten sein mochte. Das Rascheln der Taftunterröcke verriet ihm, dass es sich um eine Frau handelte, und er vermutete, Paulette oder Madame Armant könnten nach Juliette suchen. Wer es war, ließ sich leicht herausfinden, da das Glas vor einem gerahmten Aquarell links von der Badeecke einen guten Blick auf den Raum jenseits der Schirmwand erlaubte. Er musste nur still dasitzen und genau hinsehen.
Es war Juliette, wie er an ihrem weißen Kleid sofort erkannte, als sie eintrat und einen Moment lang innehielt, als versuche sie zu hören, ob er noch im Bad war. Daraufhin tauchte er den Waschlappen kurz ins Wasser und drückte ihn wieder aus, während er insgeheim hoffte, sie komme zu ihm, um nach ihm zu sehen. Das geschah aber nicht, sondern sie machte kehrt und verließ das Zimmer.
Nicholas hätte sie fast zurückgerufen, da er einen neuen Verband benötigte. Doch die Heimlichkeit, mit der sie sich bewegte, hielt ihn davon ab und ließ ihn zugleich misstrauisch werden. Eine Weile saß er da und ließ sich mögliche Erklärungen durch den Kopf gehen, bis er sich dafür entschied, dass sie ihm etwas Wichtiges sagen wollte, was sie aber nicht konnte, solange er noch in der Wanne saß. Er stellte sich hin, damit das Wasser von ihm abtropfte, dann stieg er aus der Wanne und trocknete sich rasch ab, damit er seine Hose wieder anziehen konnte. Schließlich verließ er das Schlafzimmer.
Auf dem Laubengang blieb er stehen und konnte Geräusche aus der Küche und aus dem Quartier des Dienstpersonals hören. Aus Madame Armants Zimmer kamen Stimmen, was für ihn so klang, als unterhielte sie sich mit Paulette. Vermutlich genossen die Ladies ein Glas Wein zum Kuchen oder irgendeine andere Erfrischung, die sie die bevorstehende vierstündige Aufführung überstehen ließ. Juliettes ruhigere Stimme war dagegen nicht zu vernehmen.
Mit leisen Schritten ging er in die Richtung, in die er sie hatte Weggehen hören. An den Flügeltüren angekommen, blieb er abrupt stehen, da er im Zimmer eine hastige Bewegung hatte ausmachen können. Er stellte sich mit dem Rücken an die Wand und beugte sich dann so weit zur Seite, dass er sich selbst zwar nicht bemerkbar machen würde, trotzdem aber durch die Glasscheiben sehen konnte, was in dem Raum vor sich ging.
Die in strahlendes Weiß gekleidete Juliette stand vor der Truhe, in ihrer Hand schien sie ein Band zu halten. Während er sie beobachtete, wickelte sie es ab, bis ein altmodischer, reich verzierter Schlüssel zum Vorschein kam.
Sie kniete sich hin, steckte den Schlüssel in das Schloss der Truhe und drehte ihn um. Dann schien sie sich zu sammeln, bis sie endlich tief durchatmete und den Deckel hochklappte.
Sekundenlang rührte sie sich nicht und schien nicht mal zu atmen, während sie in die Kiste starrte. Als sie dann entsetzt ausatmete, geschah das so laut, dass sogar Nicholas es hören konnte. Mit größter Sorgfalt klappte sie den Deckel zu und schloss ab.
Die Augen leicht zusammengekniffen, sah Nicholas zur Wand an der gegenüberliegenden Wand des Innenhofs und überlegte. Hatte Juliettes Mutter ihr die Truhe übergeben? Möglich war es, dass die beiden sich mit Paulette über die Frage hatten einigen können, wem die Truhe nun gehörte, aber das hielt er nicht für sehr wahrscheinlich.
Eher war anzunehmen, dass seine Frau den Inhalt in aller Heimlichkeit begutachtete, da es sonst keinen Grund gegeben hätte, sich davon zu überzeugen, ob alle in ihren Zimmern zu tun hatten und sie nicht stören konnten. Ungeduld und Neugier hatten sie womöglich übermannt, und sie hielt das Warten einfach nicht länger aus. Oder sie war der An-sicht, sie habe die Voraussetzungen erfüllt, die Truhe rechtmäßig an sich zu nehmen, da sie laut Valara doch die erstgeborene Tochter war. Vielleicht aber fürchtete sie auch, Paulette könne ihr zuvorkommen und die Truhe an sich nehmen, sodass sie niemals etwas über deren Inhalt erfahren würde.
Allerdings gab es noch eine andere Möglichkeit.
Sie hatte ihn vor der Truhe stehen sehen, weshalb sie vielleicht fürchtete, er könne als ihr Ehemann seine Position im Hause nutzen,
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