Schwerter der Liebe
völlig in den Mittelpunkt rückte, in dem man jede bewusste Bewegung vergaß und sich allein auf den Instinkt und die erlernten Fähigkeiten verließ. Nicholas fühlte, wie sein Herz schneller zu schlagen begann.
»En garde!«
Die beiden Klingen reflektierten funkelnd das Sonnenlicht, als sie hochgehoben wurden und mit einem melodischen Rasseln aneinander vorbeiglitten, damit sie ihre Spitzen kreuzten. Nicholas sah seinem Widersacher in die Augen. Daspit machte eine finstere Miene, und obwohl es ein kühler Morgen war, stand ihm Schweiß auf der Oberlippe. Allerdings hielt er seine Hand völlig ruhig — soviel musste Nicholas ihm zugestehen.
Dann richtete Daspit seinen Blick auf Nicholas' Hemd, und zwar genau auf die Stelle, an der er verletzt worden war. Hatte Paulette ihm das gesagt, oder wusste er davon, weil er den Angriff auf ihn in Auftrag gegeben hatte? So oder so bedeutete sein Blick, dass er diese Schwäche auszunutzen gedachte.
Ehrbar wäre es von Daspit gewesen, die Verletzung nicht zu seinem Vorteil zu nutzen, doch Nicholas konnte eine so selbstlose Haltung nicht erwarten. Jede denkbare Schwäche durfte genutzt werden, wenn man gegen einen Maitre d’armes antrat, da der stets den Vorteil hatte, ein Profi in seinem Fach zu sein.
Das Wort Duell leitete sich vom italienischen >duello< ab, was wiederum vom lateinischen >duellum< kam, einer alten Form der Begriffe >bellum< für Krieg und >duo< für zwei. Es bedeutete also, dass sich zwei Männer in kriegerischer Absicht gegenüberstanden, was aus Nicholas' Sicht nicht besser formuliert sein konnte. So wie bei einem großen Krieg wusste auch beim Duell niemand, was geschehen würde, wenn die beiden Kontrahenten auf dem Feld gegeneinander antraten. Von den normalen Gefahren einer solchen Auseinandersetzung abgesehen, brachte die eigentliche Situation manch verborgene Eigenschaft ans Tageslicht. Beispielsweise Mut -eine Eigenschaft, die manchmal auch mit >Herz< bezeichnet wurde — konnte gelegentlich größere Bedeutung erlangen als das kämpferische Geschick. Mit diesem Punkt einher ging die Frage der Entschlossenheit. Oftmals war der Mann mit dem stärkeren Sieges- und Lebenswillen derjenige, der anschließend bei einem Glas Champagner mit seinen Freunden auf den Sieg anstoßen konnte.
Was diesen Kampf entscheiden würde, musste sich erst noch zeigen. Nicholas nickte Gavin zu, dass er bereit war.
»Beginnt!«
Sofort attackierte Daspit. Strategisch war das exzellent, das musste Nicholas anerkennen. Ein plötzlicher Angriff konnte entscheidend sein, da es darum ging, sein Gegenüber so schnell wie möglich zu treffen, ohne selbst getroffen zu werden. Diesmal war die Taktik jedoch nicht von Erfolg gekrönt. Nicholas reagierte sofort und trieb Daspit mit einer kreisenden Parade zurück, dem ein Ausfall folgte, der den Vorstoß beinahe zu seinen Gunsten hätte ausgehen lassen. Daspit verteidigte sich zunächst verzweifelt, bekam sich dann jedoch wieder in den Griff, woraufhin ein Schlagabtausch der Klingen folgte, während jeder taktierte und antäuschte.
Nicholas wahrte die gelassene Haltung, die ihm den Namen La Roche — der Fels — eingebracht hatte und die seine Widersacher mit der bloßen Andeutung seiner Stärke nicht nur verunsicherte, sondern auch wütend machte. Ziel war es, Daspit das Gefühl zu geben, dass der winzigste Fehler eine sofortige und so heftige Vergeltung nach sich zog, die nicht abgewehrt werden konnte. Auch wenn es vielleicht bloße Eitelkeit war, gefiel ihm die Vorstellung, dass es kein völlig verkehrter Eindruck war, selbst wenn er mit rechts kämpfte.
Nach einem weiteren ergebnislosen Vorstoß musste sich Daspit abermals zurückziehen, woraufhin er über den nächsten zurückhaltenden Schlagabtausch hinweg ironisch anmerkte: »Wie ich hörte, nahmen Sie sich an mir ein Beispiel und heirateten in Gretna Paulettes Schwester. Ich hätte es nicht gedacht, dass Sie es so eilig hatten, sich an die Kette legen zu lassen. Oder haben Sie Ihren Lotteriegewinn schon verprasst und mussten sich um das Vermögen der Armants bemühen?«
Nicholas sah ihn gelassen an, ließ aber in seiner Wachsamkeit nicht nach. »Wie kommen Sie auf die Idee, Geld könnte damit etwas zu tun haben?«
»Sie kennen Mademoiselle Juliette doch kaum, also können Sie noch keine Gefühle für sie entwickelt haben.«
»Dann werden Sie mir bestimmt erzählen wollen, dass es die Leidenschah war, die Sie dazu getrieben hat, mit Mademoiselle Paulette
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