Schwerter der Liebe
Gedanken brachte, Lisette für die entstandenen Aufwendungen zu entschädigen. Doch er wusste, wenn er diesen Punkt nur ansprach, würde sie ihm vermutlich den Kopf abreißen. Sie mochte seine Straßenbande, und die Jungs konnten Lisette gut leiden, auch wenn sie ihr niemals instinktiv so völlig vertrauen würden, wie sie es aus freien Stücken bei ihm taten. Das Problem war, dass sie - zumindest nach Meinung der Jungs — viel zu hoch über ihnen stand. Dafür begegneten sie Nicholas nicht mit der Ehrerbietung, die sie Lisette entgegenbrachten, und das war auch nicht erforderlich.
Lisette erreichte die Gruppe als Erste, berührte den einen an der Schulter, strich einem anderen über das Haar, während sie sie der Reihe nach begrüßte und sie fragte, wie es ihnen ging. Ihr kleiner Hund folgte ihr und hieß die Jungs auf seine eigene Art willkommen. Aus dem Augenwinkel beobachtete Nicholas Juliette, die neben ihm her die Treppe hinunterging. Ihre Miene verriet ihre Neugier, und er bemerkte auch ein flüchtiges Lächeln, als sie die offensichtliche Zuneigung erlebte, die Lisette und ihre Besucher füreinander erkennen ließen. Mehr war ihr aber nicht anzusehen. Sollte sie eine Vorahnung haben, dass diese Zusammenkunft speziell für sie arrangiert worden war, ließ sie sich das jedenfalls nicht anmerken.
Als sie unten an der Treppe angekommen waren, drehte sich Lisette um und zeigte auf den Anführer der Bande. »Juliette, darf ich Ihnen jemanden vorstellen, den Sie kennenIernen sollten? Dies ist Squirrel, und das sind die Mitglieder seiner Straßenbande: Faro, Cotton, Buck, Molasses, Wharf Rat und natürlich Gabriel, dem Sie ja bereits begegnet sind. Jungs, die Lady, die sich bei Monsieur Pasquale untergehakt hat, ist Mademoiselle Juliette Armant, die für euer Wohlergehen noch eine wichtige Rolle spielen könnte.«
Squirrel verschränkte die Arme vor der Brust und setzte eine finstere Miene auf, während die anderen hinter ihm zu tuscheln begannen. Endlos erscheinende Sekunden verstrichen, während die Jungs nur aus dem Augenwinkel zu Juliette schauten, und sich wegdrehten, unmittelbar bevor es zum Blickkontakt kommen konnte, dann aber gleich wieder in ihre Richtung spähten.
Nicholas entging nicht Juliettes fragender Gesichtsausdruck, als sie den Kopf in seine Richtung wandte. Er sagte und unternahm nichts, sondern wartete nur ab, wie sie mit der Situation umgehen würde. Ihm stockte der Atem, und jeder Muskel in seinem Körper war so angespannt, als würde jeden Moment über sein Leben entschieden.
Schließlich drehte sie sich wieder zu den Jungs um und machte einen Schritt auf sie zu, der von ihrer natürlichen, angeborenen Anmut geprägt war. Ein freundliches Lächeln umspielte ihre Lippen, während sie Squirrel die Hand reichte.
Nicholas fürchtete schon, der Junge würde ihn enttäuschen und alles vergessen, was er ihm beigebracht hatte. Doch dann ergriff Squirrel ihre Hand und verbeugte sich auf eine Weise, die seinem Lehrer alle Ehre machte.
»Mademoiselle«, sagte er mit seiner tiefen Stimme, die bei der letzten Silbe ein wenig rau klang.
Seine Geste veranlasste die anderen Jungs, dem Beispiel zu folgen und Juliette auf die gleiche Weise zu begrüßen, während sie die Reihe abschritt und jeden Gruß so würdevoll erwiderte, als hätte sie die edelsten Gentlemen vor sich. Als dann aber der kleine Gabriel hinter Wharf Rat hervorkam und sich verbeugte, tat er das mit so viel Schwung, dass er das Gleichgewicht verlor und nach vorn fiel.
Juliette bekam ihn gerade noch zu fassen, bevor er auf das Pflaster fallen konnte, und stellte ihn wieder aufrecht hin, wobei sie ihm so selbstverständlich und schnell über sein blondes Haar strich, dass man genau hinschauen musste, um den Moment nicht zu verpassen.
Nicholas schaute aber genau hin und spürte dabei einen Kloß im Hals, wie es ihm schon seit Jahren nicht mehr passiert war. Der Stolz auf seine Auserwählte war so überwältigend, dass ihm die Worte fehlten. Seine Juliette war einfach perfekt, so perfekt sogar, dass er fast schon an ihre Worte zu glauben begann, die Heilige Mutter Gottes habe ihr Gebet erhört und ihn zu ihr geschickt.
Diese Perfektion ging aber weit über den Mutterinstinkt hinaus, so sehr er den auch schätzte. Ihre liebliche Art schlug ihn in ihren Bann und weckte bei ihm das Verlangen nach Dingen, die anzustreben er vor langer Zeit als unmögliches Unterfangen längst aufgegeben hatte. Der Glanz ihrer Haare, die heute Abend von
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