Schwerter der Liebe
er es dir auch ohne Worte? Was ich sagen will ... hat er ...«
»Hat er mich mit in sein Bett genommen? Ist es das, was du wissen willst?«, fuhr Paulette sie an.
»Etwas in der Art. Du sagtest zuvor, er habe dich geküsst. Aber spricht er auch von Liebe, wenn er dich in seinen Armen hält?«
»Dessen kannst du dir gewiss sein. Und er macht noch viel mehr, das kann ich dir versichern.«
»Mehr?« Juliette war so verblüfft, dass sie nicht den missbilligenden Tonfall in ihrer Stimme unterdrücken konnte.
»Meine liebe, unschuldige Schwester, du hast ja keine Ahnung, welche Empfindungen die Berührung eines erfahrenen Mannes bei einer Frau auslösen kann. Und du kannst dir auch nicht vorstellen, wie eine Lady aus sich herausgehen kann, wenn sie mit einem solchen Mann allein ist.«
Juliette spürte, dass ihr Gesicht vor Verlegenheit glühte. »Aber Maman ist doch stets ein wachsamer Chaperon gewesen, das weiß ich ganz genau. Wie kann so etwas dennoch sein?«
»Es gibt immer Möglichkeiten, sich einer solchen Überwachung zu entziehen.«
»Und ist so etwas normal? Ich meine, machen andere auch so etwas, zum Beispiel deine Freundinnen?«
Paulette lachte leise, obwohl ihre Wangen tiefrot angelaufen waren. »Diejenigen, die es wagen. Solche geheimen Momente sind aufregender als alles, was man sich vorstellen kann. Ich sollte dir davon eigentlich gar nichts erzählen, da es für dich verboten sein müsste, aber du hast mich ja danach gefragt.«
Ja, sie hatte gefragt, und die Antwort, die sie daraufhin erhielt, hatte sie beunruhigt — allerdings nicht in der Art und Weise, die Paulette vorschwebte. Vielmehr bestätigte das Gehörte ihren Eindruck, dass etwas zwischen ihr und Nicholas Pasquale fehlte. Dass sie nicht ineinander verliebt waren, war ihr klar gewesen, aber nun hielt sie es auch noch für unwahrscheinlich, dass es zwischen ihnen jemals zu engeren körperlichen Kontakten kommen würde.
Sie war aber auch um Paulette besorgt. Es schien, dass sie ihren guten Namen aufs Spiel setzte und dass Jean Daspit sie dazu ermutigte, wenn er sie nicht sogar tatkräftig dazu zu überreden versuchte.
Gab sich jeder in der Öffentlichkeit höchst anständig und tat in aller Heimlichkeit nur das, was ihm gefiel? War sie so naiv, war sie durch das Kloster so behütet aufgewachsen, dass sie es nie bemerkt hatte?
Nein, das konnte nicht sein. Französische Ladies von ihrem Stand waren für ihre Treue und ihre Umsicht bekannt -das mussten ihnen sogar die Amerikaner zugestehen, die vieles am Vieux Carre und seinen Bewohnern als sündig ansahen. Der Platz, den Frauen in der Gesellschaft einnahmen, war zu eingeengt, die an sie gestellten Erwartungen waren zu hoch, und die gesellschaftlichen Konsequenzen bei Übertretungen waren zu gravierend für die von Paulette beschriebene Art von Liederlichkeit. Einige der wenigen wirklich Wagemutigen mochten solche Dinge unternehmen, aber das war sicherlich auch schon alles.
»Pass gut auf dich auf, chere «, sagte sie bedächtig. »Oftmals verliert ein Gentleman den Respekt vor einer Lady, die sich nicht an die Regeln halten kann oder will, die zu ihrem Schutz existieren.«
»Was weißt du denn davon?«, rief Paulette, während ihr Tränen in die Augen stiegen. »Nichts, sogar noch weniger als nichts. Und du wirst auch niemals etwas wissen! Niemals!« Sie zog ihren Überwurf enger um sich und stürmte aus dem Zimmer. Juliette konnte hören, wie Paulette über den Laubengang in ihr Schlafzimmer eilte und wutentbrannt die Tür hinter sich ins Schloss warf.
Juliette saß reglos da und machte eine nachdenkliche Miene. Allen Protesten zum Trotz schien es so, dass ihre
Schwester sehr wohl fürchtete, Monsieur Daspits Gefühle für sie könnten aus dem eben genannten Grund abgekühlt sein. Welche Tragödie, wenn sich das als wahr erweisen sollte.
Zudem fürchtete sie, ihre Zwillingsschwester könnte mehr über diese Angelegenheit mit dem Duell wissen, als sie zuzugeben bereit war. Es schien so, als würde sie das zutiefst beunruhigen, was sie darüber wusste. Das bedeutete nicht, dass Paulette recht hatte und Nicholas tatsächlich in den Vorfall verwickelt war. Doch es bedeutete auch nicht, dass sie im Unrecht war.
*
Der abendliche Besuch im Stadthaus der O’Neills begann entsprechend der Tradition. Juliette ging die kurze Strecke zu Fuß, Valara begleitete sie als Chaperon, während die Lampenanzünder an den Ecken der Hauptstraßen die Gaslaternen entzündeten, die mit ihren Flammen
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