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Schwerter und Rosen

Schwerter und Rosen

Titel: Schwerter und Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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die Szene, die sich im Hafen Akkons abspielte. Dank seiner überaus scharfen Augen war es ihm ein Leichtes, die Farben derjenigen zu erkennen, die an Bord der bauchigen Transportschiffe gingen. Und auch der kurze, aber heftige Austausch zwischen Richard Löwenherz, der auf dem Rücken eines feurigen Hengstes eine imposante Figur machte, und Leopold von Österreich entging dem Sultan nicht. Offensichtlich über alle Maßen erzürnt schleuderte der Herzog dem Engländer Dinge an den Kopf, die diesen scheinbar kalt ließen, da er – nachdem Leopold seine Tirade beendet hatte – den Kopf in den Nacken warf und schallend lachte. Dank der Berichte seiner Spione konnte Salah ad-Din sich denken, worum es in dem Streit ging. Den Berichten zufolge hatte Löwenherz dem Österreicher den ihm zustehenden Anteil an der Beute verweigert und ihn vor den Augen aller gedemütigt, indem er sein Banner durch den Schmutz hatte ziehen lassen. Was diesen wiederum dazu veranlasst hatte, Richard mit wüsten Verwünschungen zu bedenken und ihm damit zu drohen, dass er sich sofort nach seiner Rückkehr in die Heimat bei dem frisch gekrönten Kaiser Heinrich VI. über den Wortbruch beschweren würde. Als ob man einen Mann wie Löwenherz mit so etwas beeindrucken konnte!, dachte Salah ad-Din anerkennend. Denn wenngleich der Engländer sein Feind war, brachte er dessen Heldenmut und Tollkühnheit dennoch den größten Respekt entgegen. Er seufzte, gab seinem Pferd die Sporen und galoppierte den sanften Abhang hinunter, um im Schatten der Dattelpalmen auf die Ankunft der ersten Gefangenen und seiner Männer aus Jerusalem zu warten.
     
     
    Ein Kerker in Akkon, 15. Juli 1191
     
    Ein ohrenbetäubender Schrei riss Harold aus der Lethargie, in die er seit der Gefangennahme versunken war. Müde hob er den Kopf, um sich in der düsteren Zelle umzublicken. Doch in den vergangenen Stunden – oder waren es Minuten – hatte sich nichts geändert. Stöhnend presste er nach einigen Atemzügen die brennenden Lider aufeinander, um sie kurz darauf wieder zu öffnen und in die von einem schmalen, durch das vergitterte Fenster hereinfallenden Lichtstreifen erhellte Dunkelheit zu starren. Der stark blutende Tempelritter hing immer noch besinnungslos zusammengesunken in den Ketten, die ihm die Hände über dem Kopf festhielten, sodass es wirkte, als seien seine Schultergelenke aus den Pfannen gesprungen. Der ebenfalls halb ohnmächtige Cirencester, von dessen Kinn blutiger Speichel in das verfaulte Bodenstroh troff, gab zwar hie und da ein gequältes Stöhnen von sich, doch ansonsten herrschte Ruhe in der winzigen Zelle, da auch Hugh ohne Besinnung schien. Einzig das helle Geräusch der Wassertropfen, die sich in regelmäßigen Abständen von der moosbewachsenen Decke lösten, unterbrach – abgesehen von den Schreien der Gefolterten – die Grabesstille in dem gruftartigen Gefängnis. Wann würden die Henker kommen, um sie abzuholen und zum Schafott zu führen?, fragte sich der Knabe und bemühte sich, die erschreckend lebensechten Bilder zu verdrängen, die bei dem Gedanken an ihre Hinrichtung durch seinen Kopf jagten. Und wie würde es sein, vor den Augen aller, das Leben auszuhauchen?
    Allein der Gedanke an das, was für gewöhnlich mit Hochverrätern geschah, raubte ihm den Atem, der ohnehin nur rasselnd den Weg in seine schmerzenden Lungen fand. Die Bestrafungen variierten von Vierteilen über Ausweiden und Schleifen bis hin zu Köpfen, Hängen oder Verbrennen. Wie gnädig erschien da die Vorstellung eines schnellen Todes durch die Klinge des Henkers! Ein weiterer markerschütternder Schrei ließ ihn unwillkürlich zusammenzucken. Und als sich kurz darauf noch andere qualverzerrte Stimmen zu der ersten gesellten, kroch ein Prickeln über Harolds Kopfhaut, sodass es sich anfühlte, als wolle sie schrumpfen. Nach einer zeitlosen Ewigkeit, in der die heiseren Schreie der Geschundenen zu leisem Wimmern verblasst waren, verstummten die grauenvollen Laute plötzlich abrupt, als weit entfernt eine schwere Tür ins Schloss geworfen wurde. Ketten klirrten und Körper schlugen dumpf auf Stroh auf, als die Unglücklichen, die das Schicksal der Männer in Harolds Zelle zu teilen schienen, in die ihnen zugedachten Gefängnisse gestoßen wurden. Das meckernde Lachen eines der Folterer jagte dem Knaben einen kalten Schauer über den Rücken. Und als sich die stapfenden Schritte schließlich ihrer eigenen Zelle näherten, hatte der Junge Mühe, die Kontrolle über seine

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