Schwerter-Zylus 06 - Die Schwerter von Lankhmar
Mausling hätte die nachfolgenden Ereignisse vermutlich nicht mehr mitbekommen – oder sie wären völlig anders ausgefallen –, wenn er nicht wieder einmal doch etwas unzufrieden gewesen wäre. Er beschloß, Hisvets klaren Befehl zu mißachten und einen Blick auf Frix zu werfen. Bis zu diesem Augenblick hatte er sich nicht um sie gekümmert, doch jetzt wollte ihm scheinen, daß sich das Katapult der Lust noch weiter spannen ließ, wenn er beide Gesichter seines zweiköpfigen Liebeswesens anschauen konnte.
Als Hisvet wieder einmal sein äußeres Ohr mit blauroter Zunge umspielte, hielt er sie mit kleinen Kopfbewegungen und entzücktem Stöhnen bei der Sache und rollte seine Augäpfel in die andere Richtung und starrte verstohlen in das Gesicht von Frix.
Sein erster Gedanke galt ihrem Hals, der unbequem zur Seite gebeugt war, um ihm und ihrer Herrin Platz zu machen. Sein zweiter Gedanke drehte sich um ihr Gesicht. Es war zwar leidenschaftlich gerötet, und ihr Atem ging heftig durch die halb geöffneten Lippen, doch ihr Blick war seltsam traurig und melancholisch, und er richtete sich auf etwas, das sich in weiter Ferne abspielte ...
Oder vielleicht beobachtete sie etwas, das doch ein wenig näher heran war, etwas, das hinter ihm stand ...
Er wandte den Kopf und warf einen Blick über die Schulter. Dort erblickte er als schwarzen Umriß vor dem schwach pulsierenden Blütenschimmer des Glockenbaums eine geduckte Gestalt, die den Arm ausstreckte. Am Ende dieses Arms schimmerte blaugrau eine Klinge.
Sofort sank der Mausling zusammen, zog sich heftig von Frix zurück, und wirbelte halb herum, ließ die linke Hand hochschnellen, die noch vor Sekundenbruchteilen Hisvets Mädchen umarmt hatte.
Es war ein Schlag, der im Halbdämmer nicht besser zu zielen war. Als er das schmale Handgelenk des Angreifers umfaßte, spürte er, wie sich die Dolchspitze in seinen Unterarm grub. Seine rechte Faust fuhr in das Gesicht des Mingols und ließ ihn aufstöhnen.
Als die schwarzgekleidete Gestalt zurückstolperte, duckte sich ein zweiter dolchbewaffneter Mingol hinter dem ersten hervor und kam auf den Mausling zu, der nun fluchend seinen Gürtel aufnahm und das Messer zog, weil ihm der Griff dieser Waffe als erstes zwischen die Finger kam.
Frix, die noch immer in ihrem schwarzen Umhang dastand, sagte verträumt: »Alarm, Trommelwirbel. Zwei Mingols auf die Bühne«, während Hisvet erzürnt ausrief:
»Oh, daß mir mein Vater immer alles verderben muß!«
Nun hatte sich der erste Mingol von seiner Überraschung erholt, und die beiden näherten sich lauernd dem Mausling und fuchtelten dabei mit ihren Dolchen vor ihren schlitzäugigen gelben Gesichtern herum. Der Mausling hielt Katzenklaue ein wenig in die Höhe und trieb die beiden Angreifer mit einem zischenden Hieb seines Gürtels zurück, den er in der anderen Hand hielt. Die schwere Scheide seines Schwertes erwischte den einen am Ohr, und er wimmerte schmerzvoll auf. Jetzt war Gelegenheit, zum Angriff überzugehen und zuzustechen.
Doch der Mausling hielt sich zurück. Er wußte nicht, ob die beiden Mingols allein waren oder ob Hisvet und Frix ihre Schauspielerei (wenn sie wirklich nur mit ihm gespielt hatten), aufgeben und ihn nun von hinten angreifen würden. Außerdem blutete sein linker Arm, und er wußte noch nicht, wie schlimm die Wunde war. Schließlich mußte er sich widerstrebend eingestehen, daß er sich in einer Situation befand, die er vielleicht nicht bewältigen konnte, die er nicht begriff, daß er außerdem in seiner romantischen Anwandlung schon viel zu unvorsichtig gewesen war – zumal sich der kräftige Fafhrd irgendwo herumtrieb. Nein, der Mausling brauchte weisen Rat.
In kaum zwei Herzschlägen hatte er seinen beiden Angreifern den Rücken gewandt, huschte an der verblüfften Frix vorbei, und brach durch die Blätterwand des Baumes.
Fünf Herzschläge später hastete er nach Norden über den Platz der Dunklen Freuden, schnallte seinen Gürtel um und holte aus einem kleinen Beutel eine Bandage, die er mit schnellen Bewegungen um seine Wunde wickelte.
Gleich darauf eilte er durch eine schmale gepflasterte Gasse, die zum Marschtor führte.
So ungern er sich das eingestand – es war Zeit, daß er die Große Salz-Marsch aufsuchte und dort den Rat seines Zaubervaters, des Augenlosen Sheelba, einholte.
Fafhrd lenkte seine große Stute durch die brennenden Straßen Sarheenmars; ein anderer Weg führte nicht um die Stadt herum. Sarheenmar lag an der
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