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Schwertgesang

Schwertgesang

Titel: Schwertgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Volk bat, das hinter uns schrie, oder um den Tod der Männer vor uns, habe ich ihn nie gefragt.
    Dann kam Bewegung in den eng gedrängten Schildwall unter dem Torbogen, und in der Mitte wurde ein Durchgang freigemacht. »Graf Erik will mit Euch sprechen«, erklärte mir der Mann. Und so gingen Pyrlig und ich zum Feind.

SECHS
    »Mein Bruder sagt, ich soll Euch töten«, lautete Eriks Begrüßung. Der jüngere der Brüder Thurgilson hatte mich auf der Brücke erwartet, und obwohl seine Worte eine Drohung enthielten, war in seiner Miene nichts Bedrohliches zu lesen. Er war ruhig und gelassen, und offenbar bereitete ihm seine Lage keine Sorgen. Sein schwarzes Haar war unter einen einfachen Helm gezwängt und sein gutes Kettenhemd mit Blutspritzern bedeckt. Der Rand des Helmes war eingerissen, und ich vermutete, dass ihn an dieser Stelle ein Speer getroffen hatte, der unter seinen Schild gestoßen worden war, doch allem Anschein nach war er unverletzt geblieben. Sigefrids Verletzungen dagegen waren grauenvoll. Ich sah ihn auf dem Boden liegen, gebettet auf seinen Umhang aus Bärenfell, und er krümmte sich und zuckte vor Schmerzen, und zwei Männer kümmerten sich um ihn.
    »Euer Bruder«, sagte ich verächtlich, den Blick immer noch auf Sigefrid gerichtet, »denkt, dass man mit dem Tod jede Frage beantworten kann.« »Dann ist er Euch in dieser Hinsicht sehr ähnlich«, sagte Erik mit einem flüchtigen Lächeln, »wenn es stimmt, was die Leute über Euch sagen.« »Und was sagen die Leute über mich?«, fragte ich neugierig.
    »Dass Ihr wie ein Nordmann tötet«, sagte Erik. Er wandte sich um und starrte den Fluss hinab. Eine kleine Flotte dänischer und norwegischer Schiffe hatte von den Anlegeplätzen entkommen können, doch einige von ihnen wurden nun wieder stromauf gerudert. Die Besatzung versuchte, einige der Flüchtlinge zu retten, die sich am Ufer des Flusses drängten, doch die Sachsen wüteten schon unter dieser todgeweihten Menschenmenge. Ein erbitterter Kampf tobte an den Anlegeplätzen, Männer hackten erbarmungslos aufeinander ein. Um dem Gemetzel zu entkommen, sprangen manche einfach ins Wasser. »Ich denke manchmal«, sagte Erik düster, »dass der Tod der eigentliche Sinn des Lebens ist. Wir verherrlichen den Tod, wir verbreiten den Tod, wir glauben, dass er uns Freude verschafft.«
    »Ich verherrliche den Tod nicht«, sagte ich. »Die Christen tun es«, bemerkte Erik mit einem Seitenblick auf Pyrlig, über dessen Kettenhemd sein hölzernes Kreuz hing. »Nein«, sagte Pyrlig.
    »Und weshalb dann das Bildnis eines toten Mannes?«, fragte Erik. »Unser Herr Jesus Christus ist von den Toten auferstanden«, sagte Pyrlig leidenschaftlich. »Er hat den Tod besiegt! Er starb, um uns das Leben zu geben, und hat sein eigenes Leben im Tod wiedergewonnen. Der Tod, Herr, ist nur das Tor zu einem anderen Leben.«
    »Und warum fürchten wir dann den Tod?«, fragte Erik in einem Ton, der deutlich machte, dass er keine Antwort erwartete. Er sah wieder auf das Durcheinander flussabwärts. Flüchtende Männer hatten die beiden Schiffe besetzt, mit denen wir durch die Brücke gekommen waren, und eines dieser Schiffe war in kurzer Entfernung von den Anlegeplätzen gesunken. Männer waren ins Wasser gerutscht, und viele mussten ertrunken sein, während es einigen anderen gelungen war, das schlammige Ufer wieder zu erreichen, an dem sie von höhnisch brüllenden Männern mit Speeren, Schwertern, Äxten und Hauen zu Tode gehackt wurden. Andere Überlebende klammerten sich an das Wrack und suchten Deckung vor einer Handvoll sächsischer Bogenschützen, deren lange Jagdpfeile dröhnend in die Schiffsplanken schlugen. Der Tod war überall an diesem Morgen. Die Straßen der niedergeworfenen Stadt stanken nach Blut und hallten von den Wehklagen der Frauen wider, die bis zu dem trüben gelblichen Himmel hinaufzusteigen schienen, über den grauschwarze Rauchwolken zogen. »Wir haben dir vertraut«, sagte Erik niedergeschlagen, ohne den Blick vom Fluss abzuwenden. »Du wolltest uns Ragnar bringen, du wolltest König von Mercien werden, und du wolltest uns die ganze Insel Britannien verschaffen.«
    »Der tote Mann hat gelogen«, sagte ich, »Bjorn hat gelogen.«
    Erik wandte sich mir wieder zu. Seine Miene war ernst. »Ich habe ihnen gesagt, dass wir nicht versuchen sollten, Euch mit einer List zu betrügen«, sagte er, »aber Graf Haesten ist beharrlich geblieben.« Erik zuckte mit den Schultern, dann sah er Pater Pyrlig an und ließ

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