Schwertgesang
soll?« »Er lässt es zu, dass Plünderer nach Wessex einfallen, Herr«, sagte ich, »warum also erweisen wir ihm nicht die gleiche Gefälligkeit? Warum schicken wir keine Schiffe nach Ostanglien, um uns an König Æthelstans Besitz zu vergreifen?« Alfred erhob sich, ohne auf meine Frage einzugehen. »Das Wichtigste ist«, sagte er, »dass wir Lundene nicht verlieren.« Er streckte eine Hand in Pater Erkenwalds Richtung aus, der einen Lederranzen öffnete und eine Pergamentrolle herauszog, die mit braunem Wachs versiegelt war. Alfred reichte mir das Pergament. »Ich habe dich zum Befehlshaber der Streitkräfte in dieser Stadt ernannt. Verhindere, dass der Feind sie zurückerobert.«
Ich nahm die Pergamentrolle. »Befehlshaber der Streitkräfte?«, fragte ich betont.
»Alle Truppen und sämtliche Angehörige des Fyrd stehen unter deiner Führung.«
»Und die Stadt, Herr?«, fragte ich. »ein Ort der Frömmigkeit werden«, sagte Alfred. »Wir werden sie von ihren Lastern und Sünden befreien«, warf Pater Erkenwald ein, »und sie weißer waschen als Schnee.«
»Amen«, sagte Beocca inbrünstig. »Ich setze Pater Erkenwald als Bischof von Lundene ein«, fuhr Alfred fort, »und auch die Führung der Zivilverwaltung wird ihm obliegen.« Ich spürte einen Stich im Herzen. Erkenwald? Der mich verabscheute? »Und was ist mit dem Aldermann von Mercien?«, fragte ich. »Vertritt nicht er die Zivilverwaltung hier?« »Mein Schwiegersohn«, sagte Alfred unnahbar, »wird die Ernennungen, die ich ausgesprochen habe, nicht widerrufen.«
»Und über wie viel Macht verfügt er hier?«, fragte ich. »Wir sind in Mercien!«, sagte Alfred, »und er herrscht in Mercien.«
»Also kann er einen neuen Befehlshaber der Streitkräfte einsetzen?«, fragte ich. »Er wird tun, was ich ihm sage«, erklärte Alfred, und aus seiner Stimme klang mit einem Mal Zorn. Doch schnell gewann er seine Gelassenheit wieder. »Und in vier Tagen werden wir uns alle versammeln«, sagte er, »und darüber sprechen, was notwendig ist, um aus dieser Stadt einen sicheren und gesegneten Ort zu machen.« Er nickte mir kurz zu, neigte den Kopf in Giselas Richtung und wandte sich ab.
»Herr König.« Giselas sanfte Stimme ließ Alfred verharren. »Wie befindet sich Eure Tochter? Ich habe sie gestern gesehen, und sie litt an Blutergüssen.«
Alfreds Blick wanderte über den Fluss, auf dem sechs Schwäne unterhalb des schäumenden Wassers an der Lücke auf den Wellen schaukelten. »Es geht ihr gut«, sagte er abweisend. »Die Blutergüsse ...«, fing Gisela an. »Sie war immer ein mutwilliges Kind«, unterbrach Alfred sie.
»Mutwillig?«, fragte Gisela vorsichtig. »Ich liebe sie«, sagte Alfred, und die unerwartete Leidenschaft in seiner Stimme konnte keinen Zweifel daran lassen, »doch während Mutwilligkeit bei einem Kind erheiternd ist, wird sie bei einem Erwachsenen zur Sünde. Meine liebe .Æthelflaed muss Gehorsam lernen.«
»Damit sie zu hassen lernt?«, fragte ich, und meine Worte klangen wie ein Widerhall dessen, was der König zuvor über die Sachsen in der neuen Stadt gesagt hatte.
»Sie ist jetzt verheiratet«, sagte Alfred, »und es ist ihre Pflicht vor Gott, ihrem Ehemann zu gehorchen. Das wird sie noch lernen, ich bin sicher, und sie wird für diese Lektion dankbar sein. Es ist schwer, ein Kind zu bestrafen, das man liebt, aber es ist eine Sünde, solch eine Strafe nicht zu erteilen. Ich bete zu Gott, dass sie bald fügsamer ist.«
»Amen«, sagte Pater Erkenwald.
»Gott sei gelobt«, sagte Beocca.
Gisela sagte nichts, und der König ging hinaus.
Ich hätte wissen sollen, dass es bei dem Ruf in den Palas auf der Kuppe von Lundenes niedrigem Hügel nicht ohne Priester gehen würde. Ich hatte eine Beratung zu Kriegsfragen erwartet, eine besonnene Unterhaltung darüber, wie man am besten das weite Mündungsgebiet der Temes nach Plünderern durchkämmen sollte, die überall die Dörfer heimsuchten, doch stattdessen wurde ich, sobald mir meine Schwerter abgenommen worden waren, in einen Saal mit einem Säulenumgang gebracht, in dem ein Altar errichtet worden war. Ich hatte Finan und Sihtric bei mir. Finan, ein guter Christ, bekreuzigte sich, doch Sihtric, der genauso wie ich ein Heide war, sah mich so beunruhigt an, als befürchte er einen christlichen Religionszauber. Ich ließ den Gottesdienst über mich ergehen. Mönche psalmodierten, Priester beteten, Glocken wurden geläutet und Männer lagen auf den Knien. Es waren etwa vierzig Männer in
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