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Schwertgesang

Schwertgesang

Titel: Schwertgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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dem Saal, viele von ihnen Priester, und nur eine Frau. Æthelflaed hatte den Platz an der Seite ihres Ehemannes. Sie trug ein weißes Gewand, das in ihrer Mitte mit einer blauen Schärpe zusammengefasst war, und in ihren goldfarbenen Haarknoten waren die blauen Blüten des Ehrenpreises eingeflochten. Ich stand etwas entfernt hinter ihr, doch als sie sich einmal ihrem Vater zuwandte, sah ich die bläuliche Verfärbung rund um ihr rechtes Auge. Alfred sah sie nicht an, sondern kniete mit nach vorn gerichtetem Blick. Ich beobachtete ihn, betrachtete Æthelflaeds hängende Schultern, und ich dachte über Beamfleot nach, und wie dieses Wespennest ausgeräuchert werden konnte. Zuerst, dachte ich, müsste ich mit einem Schiff flussabwärts fahren und mir Beamfleot selbst ansehen. Mit einem Mal erhob sich Alfred, und ich vermutete, die Messe sei endlich vorüber, doch stattdessen wandte sich der König an uns und hielt uns einen dankenswert kurzen Vortrag. Er ermutigte uns, die Worte des Propheten Ezechiel zu bedenken, wer immer das sein mochte. »Denn die Heiden, von denen wir umgeben sind«, las der König uns vor, » sollen wissen, dass der Herr wieder aufrichtet, was zerstört wurde, und Fruchtbarkeit auf die wüsten Felder bringt. Lundene«, der König legte das Pergament mit Ezechiels Worten nieder, »ist wieder eine sächsische Stadt, und auch wenn es in Trümmern liegt, werden wir es mit Gottes Hilfe wieder aufbauen. Wir werden es in einen Ort Gottes verwandeln, zur Erleuchtung der Heiden.« Er hielt inne, lächelte feierlich und gab Bischof Erkenwald ein Zeichen, der, angetan mit einem weißen Umhang, von dem rote, mit silbernen Kreuzen bestickte Stoffstreifen herabhingen, aufstand, um eine Predigt zu halten. Ich stöhnte. Wir waren gekommen, um zu entscheiden, wie wir unsere Feinde von der Temes vertreiben konnten, und stattdessen wurden wir mit geistloser Frömmlerei gefoltert.
    Ich hatte schon vor langer Zeit gelernt, Predigten an mir vorübergehen zu lassen. Mein unseliges Los wollte es, dass ich viele davon hören musste, und die Worte der meisten müssen so spurlos über mich hinweggegangen sein wie Regen, der auf ein frisch gedecktes Strohdach rauscht. Doch einige Minuten, nachdem Erkenwald mit heiserer Stimme zu seinem Erguss angesetzt hatte, wurde ich aufmerksam. Denn er predigte nicht darüber, verwüstete Städte wieder aufzubauen, und auch nicht über die Heiden, die Lundene bedrohten; seine Predigt galt Æthelflffid.
    Er stand am Altar, und er geiferte. Er war immer ein grimmiger Mann gewesen, aber an diesem Tag in dem alten römischen Palas erfüllte ihn leidenschaftlicher Zorn. Durch ihn, so sagte er, sprach Gott. Gott hatte eine Botschaft, und Gottes Wort dürfe nicht missachtet werden, sonst würden die Feuer der Hölle die gesamte Menschheit vernichten. Kein einziges Mal erwähnte er Æthelflaeds Namen, doch er starrte sie unausgesetzt an, und niemand im Saal konnte im Zweifel darüber sein, welche Botschaft der Christengott dem armen Mädchen senden wollte. Gott, so schien es, hatte diese Botschaft sogar in einem Evangeliar niedergeschrieben, denn Erkenwald nahm ein Buch vom Altar auf und hielt es hoch, sodass das Licht von dem Abzugsloch in der Decke auf die Seite fiel, und dann las er laut vor. »Verschwiegen sein«, er sah auf, um Æthelflaed einen glutvollen Blick zuzuwerfen, »keusch sein! Die Hüterinnen des Hauses! Tugendhaft sein! Ihren Ehemännern gehorsam sein! Dies sind Gottes eigene Worte! Das ist es, was Gott von einer Frau fordert! Verschwiegen zu sein, keusch zu sein, das Haus zu hüten, gehorsam zu sein! Gott hat zu uns gesprochen!« Er krümmte sich fast vor lauter Verzückung bei diesen letzten drei Worten. »Gott richtet sein Wort an uns!« Er sah an die Decke hinauf, als würde sein Gott durch das Dach spähen. »Gott hat zu uns gesprochen?« Er predigte über eine Stunde lang. Sein Geifer spritzte durch einen Sonnenstrahl, der in das Abzugsloch im Dach hereinschien. Er krümmte sich, er schrie, er erschauerte. Und von Zeit zu Zeit wandte er sich wieder den Worten in dem Evangeliar zu, die davon sprachen, dass Frauen ihren Ehemännern gehorchen sollten. »Gehorsam!«, kreischte Erkenwald erneut. Æthelflaed saß hocherhobenen Hauptes da. Von meinem Standpunkt aus wirkte es, als ließe sie diesen irrsinnigen, bösartigen Priester, der nun zum Bischof und Herrscher über Lundene geworden war, nicht einen Moment aus den Augen. Æthelred neben ihr rutschte dagegen unruhig herum,

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