Schwestern der Angst - Roman
Griechenlandurlaub endete für so viele Menschen im Ausnahmezustand. Die Touristen waren nur noch Überreste eines bezahlten Urlaubes, der entsorgt werden musste.
Sicherheitspersonal umringte mich und forderte mich auf, die Zigarre auszutöten. Ich verhielt mich kooperativ, entschuldigte mich auch dafür, dass ich nicht Folge leisten könne, weil ja alle Aschenbecher entfernt seien, und wurde erst wütend, als mich einer der Beamten anfasste. Plötzlich war es wichtig zu wissen, was in meinem Gepäck steckte. Sie perlustrierten mich. Wollten meinen Ausweis sehen und mein Ticket trotz EU-Bürgerschaft nachprüfen. Den roten Koffer nahmen sie mir ab und durchsuchten ihn nach explosivem Material. Es war darin nichts Ungewöhnliches zu finden. Flossen, ein Neoprenanzug, T-Shirts. Ich war ziemlich genervt, dass alles durcheinandergebracht wurde. Verlangte, dass man den Koffer wieder ordentlich packe und mir zurücktrage in die Wartehalle. Es kam zu einem Handgemenge. Ich wurde abtransportiert, geschnappt von beiden Seiten. Die Hände packten zu und hinterließen Hämatome. Ich verlangte Schmerzensgeld. Vielleicht kreischte ich. Auf jeden Fall musste ich herzlich lachen, als ich von einem Amtsarzt auf Flugtauglichkeit untersucht wurde. Man muss sich nur störrisch aufführen und schon erhält man die nötige Aufmerksamkeit. Wenn ich will, wachsen mir Flügel.
Das letzte Mal, als ich Marie zu Gesicht bekam, war, als ich durch den Wartesaal zum Ausgang ging. Ein Tumult zog mein Interesse an. Marie und Paul drängten durch die Menge. Sie gaben nur unverständliche Geräusche von sich, drucksten herum und zappelten wie Hampelmänner, das halbe Gesicht war von einem Mundschutz verdeckt. Sie zeigten mit Zeigefingern auf mich. Die Polizisten verstanden kein Wort. Marie strampelte außer sich vor Wut und fuchtelte mit den Armen. Schließlich gingen Paul und Marie mit den Polizisten mit. Ich schlüpfte durch die Passkontrolle und verschwand im Transitraum. Die beiden hatten kein Wort über die ramponierten Lippen gebracht, doch schriftlich Anzeige gegen mich erstattet. Das schien ihnen wichtiger gewesen zu sein, als das Ja-Wort auszukosten.
Am Flughafen in Wien wurde ich wegen schwerer Körperverletzung verhaftet. Paul hatte Marie auf seiner Seite. Sie stellte die Bedingung, dass ich mich einer Therapie unterziehen müsse und mich ihr bis auf dreißig Meter Entfernung nicht mehr nähern dürfe, dann würde sie die Klage zurückziehen. Sie musste kosmetische Operationen über sich ergehen lassen. Ich wollte ihr eine Lehre erteilen, und nun war sie gezeichnet. Ich war darüber nicht glücklich. Um meine Schuld zu sühnen, war ich bereit, mich auf ihre Bedingungen einzulassen, und deklarierte im Gegenzug nur eine Forderung: Marie sollte Paul verlassen.
Dank der Erbschaft war ich in der Lage, mir eine kleine Wohnung zu kaufen. Ich lebte in einem Altbau an der U-Bahn-Station. An mein Versprechen hielt ich mich. Ich bedrängte Marie nicht mehr, aber folgte ihr in sicherer Entfernung. Wenn Marie dahinterkäme, dass ich nun sogar in ihrer Wohnung war, würde sie mir die Polizei auf den Hals hetzen.
III
Ich war kurz eingeschlafen und erwachte wie außer Atem. Meine Gefühle waren körperliche Zustände. Ich hatte keine Eile, ich hatte erst am nächsten Tag wieder Termine: Die junge Schauspielerin für den Werbefilm vom Flughafen abzuholen und die Hunde zu casten.
Ich befand mich in Maries Wohnung. Ich kratzte meinen Körper und ließ kaltes Wasser über Arme und Beine fließen. Ich trocknete mich mit dem Geschirrtuch ab. Kleidete mich wieder an. Das Geschrei über meinem Kopf war verstummt.
Manchmal spitzen sich die Dinge von allein zu. Und manchmal muss man eine Kerbe schlagen, um von sich zu künden. Ich befand mich in Maries leergeräumter Küche. Hatte ich ihn vorher nicht wahrgenommen, oder geschehen Wunder? Ein Messerblock stand da im Kasten auf dem untersten Regalbrett. Ich besaß selbst auch Küchenmesser, aber nicht ein so spezielles wie Marie. Ein Haiku. Dieses Werkzeug meistert den sogenannten ziehenden Schnitt und gleitet durch jedes Schneidgut wie Butter. Ideal für meine gespannte Haut. Es ist äußerst scharf und sollte niemals in Kinderhände geraten.
Dieses Messer würde ich mitnehmen. Die Klinge schimmerte wie durchsichtig im Licht. Jahrelang hatte ich mich beherrschen können, der Berührung mit Messern zu entsagen. Mit der Hochzeitsanzeige vor Augen jedoch setzte ich das Messer an meinen kleinen Finger. Ich war
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