Schwestern der Angst - Roman
Dämpfen umarmt zu werden, bevor mein Körper unter massierenden Fingern die Muskeln entspannte. Der Atem ging schnell und ich konzentrierte mich auf den Punkt zwischen Nasenlöchern und Lippen meiner Masseuse, wo sich ein- und ausströmende Luft berührten. Ich atmete auch durch die Nase ein, bis sich das Zwerchfell wölbte, dann hielt ich die Lippen geschlossen und stieß erst die Luft aus, als die Pfoten der Masseuse meinen Nackenmuskel kneteten. Ich zählte bis drei und verlängerte von Atemzug zu Atemzug die Intervalle. Der längste dauerte sieben Sekunden. Ich spürte ein Jucken an der Oberlippe. Der untere Bogen des Philtrums, die erogenste Zone im Gesicht. Die Visagistin zupfte meine Augenbrauen, die Pediküre bearbeitete meine Zehennägel und ich zitterte und kicherte, als leckten Ziegen an meinen Sohlen. Im Mittelalter war Kitzeln eine Foltermethode, Menschen wurden auf die Bahre gefesselt, die Fußsohlen mit Salz eingerieben und den Tieren überlassen. Lachen, wohl dosiert, kann natürlich auch glücklich machen.
„Komm, wenn du magst, will ich dich lausen!“, hörte ich plötzlich eine Stimme. Wer sagte das? Ich blickte mich um. Vielleicht waren das wieder meine Gedanken. Ich hustete heftig und die Masseusen besaßen die Freundlichkeit, mir ein Papiertaschentuch zu entfalten. Wie ein Täubchen flatterte das Taschentuch daher. Dann hörte ich wieder die Stimmen, die sich miteinander unterhielten. „Wer Todgeweihten seine Unterhaltung verweigert, wird zum Glückssucher.“
Eine andere Stimme antwortete: „Wer meine Neugier kennt, weiß, wie quälend ich sein kann.“ Wenn jemand lallt, ist das relativ schmerzlich, außer es handelt sich um ein Lipogramm. Manchmal ist auch konkrete Poesie möglich. Ich schnäuzte mich, damit die Stimmen übertönt waren.
Die Leistung, im Gedächtnis zu bleiben, zählt bei einem Geistesmenschen alles, vor allem über seinen Tod hinaus. Mein Blick wurde napfig, als sich die Augen am Porzellangesicht der Masseuse festsaugten. Es könnte alles wieder so schön sein zu zweit, und auch das Traurige halb so schwer, dachte ich. Da beutelte ich den Kopf, beutelte den Schädel immer heftiger, bis die Masseuse „Hilfe“ rief, „mein Gott, mein Gott, mein Gott!“ In diesem Augenblick überlegend, ob ich Atheistin noch in der Lage gewesen wäre, „mein Gott!“ auszurufen, blieb ich den Kopf schüttelnd liegen. Hatte einen Anfall. Ein Blutstropfen zog seine Spur über den grünen Lack des Schemels vor meinen Augen. Im Herzen jung geblieben, unternehmungslustig, kein Golf, kraftvoll schlank, dankbar für die schönen Dinge im Leben, nahm ich die zackigen Bewegungen von zwei plötzlich auftauchenden muskulösen Männern wahr. Wie Cowboys, die ein wildes Pferd zureiten, warfen sich die zwei auf mich. Das konnte man in meinem Zustand nur mutlos zulassen.
Ich war ein glücklicher, positiver und gesunder Mensch. Ich war schön und jung und begehrenswert. Ich duftete und verbreitete gute Stimmung. Meine Aura war golden und strahlte. Ein Zischen fauchte und löste sich in Wacholderdämpfe auf, die sich auf die Haut legten und die Poren öffneten. Umnebelt lag ich da und lauschte, schloss die Augen. Ich war ein glücklicher, positiver, gesunder, ruhiger, fröhlicher, schlanker, schöner, netter, humorvoller Mensch, nur hin und wieder erwischte mich eine neuronale Entgleisung. Mein Geist schweifte ab in das gefräßige All der Selbstabwertung, ein Maul, das die spitzen Zähne in die Gurgel treibt. Du Miststück. Du hier liegendes Miststück. Du nichtsnutziges Miststück.
Die Hände der Masseure schoben sich über die Nackenwülste und drückten mit den Daumenballen die in den Hinterkopf auslaufenden Sehnen hinunter. Mein Kopf steckte im Maul der zugreifenden Lippen, es biss zu. Mein Kopf fiel auf das Kissen. Losgelöst vom Rest zuckten die Sehnen, Adern, Venen, und mein Rumpf hüpfte, Arme und Beine schlugen aus. Die Kreisbewegungen der Hände kratzten mit den Nägeln die Schädeldecke, als wollten sie Hirn schürfen.
Ich verlor den Punkt des Amorbogens, öffnete meine Lippen, sog Luft, stillte mich am Sauerstoff, obwohl ich wusste, dass man den Atem nie mit dem geschlossenen Kehldeckel in der Lunge halten soll, sondern mit der Kraft der Brustmuskeln. Die Sehnen verkürzten sich, die Hände schrumpften zu Fäusten, die Fäuste verklumpten zu Pfoten, der Krampf hätte mich zum Schreien bringen können, noch immer brachte ich keinen Laut heraus. Atmete nur ein, nie aus. Ein Zittern,
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