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Schwestern der Nacht

Schwestern der Nacht

Titel: Schwestern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Masako Togawa
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letzten Opfer, ein Mädchen, das er vor etwa zwei Monaten in einer Diskothek in Koto Rakutenchi aufgegabelt hatte.
    Er lehnte sich zurück und blickte mit zusammengezogenen Brauen an die Decke. Das billige Apartment in einem Viertel voller Bauholzhändler erschien deutlich vor seinem geistigen Auge. In diesem Moment marschierte dicht neben ihm schweren und ausladenden Schrittes ein Ausländer vorbei, einen Pagen im Schlepptau, der seinen Koffer schleppte. Das riß Honda aus seiner Träumerei; er legte die Zeitungsmappe auf den Stapel zurück und verließ das Hotel. Am Zeitungskiosk an der U-Bahnstation kaufte er jede Abendzeitungsausgabe, die er finden konnte. Dann, im Zug, verschlang er gierig jeden Artikel über den Mord an der Kassiererin.
    Das Mädchen auf den Fotos sah allerdings anders aus als das Gesicht, an welches er sich erinnerte. Wenn ihn nicht alles täuschte, war ihre Augen- und Wangenpartie ein bißchen aufgedunsen gewesen, wovon in den Zeitungen nichts zu sehen war. Vielleicht handelte es sich ja gar nicht um dieselbe Person, aber das mußte er genau wissen. Er würde ganz gewiß keine Ruhe finden, bevor er in seinem >Jäger-Logbuch< nachgesehen hatte.
    Der Ausstieg an der Station Yotsuya Sanchome erwies sich als schwierig; er mußte sich durch die Menschenmassen kämpfen und wurde dabei gegen den Körper einer jungen Frau gedrängt. Die zufällige Berührung reizte seine Sinne. Schließlich verschaffte er sich gewaltsam Durchlass auf den leeren Bahnsteig, wo ihn plötzlich tiefe Unruhe packte; auf einmal hatte er das Gefühl, jedermann im Zug starre ihn anklagend an und könne jeden Moment zu seiner Verfolgung ansetzen.
    Er stopfte die Zeitungen in seine Tasche und floh aus dem Bahnhof. Auf dem Weg zu seiner Wohnung machte er einen Abstecher in einen kleinen Getränkeladen und besorgte sich eine Flasche Whisky und ein Glas Oliven. Zu Hause angekommen, schraubte er den Deckel ab und stürzte gleich mehrere Oliven hinunter; sie hinterließen einen öligen Film in seinem Hals und Magen, den er mit einem kräftigen Schluck Whisky wegspülte, bevor er das Tagebuch aufschlug. Name und Adresse waren identisch; er begann den Wocheneintrag zu lesen.
2. Oktober
    Bewölkt.
    Hatte vormittags geschäftlich in Chiba zu tun, fuhr um 15 Uhr zurück. Mautstraße war völlig verstopft, benutzte deshalb den Chiba Kaido. Fahlgraue Landschaft — nichts als Ruß, Rauch und Asche von den Fabriken längs der Straße.
    Ließ den Wagen am Büro stehen und machte einen Spaziergang durch Koto Rakutenchi. Kinos, grellbunte Poster billiger Theaterstücke, Arbeiter in Holzschuhen, Tangorhythmen von zweitklassigen Kapellen. Hörte Musikfetzen aus einer Diskothek und ging hinein.
    Mußte einen Getränkebon kaufen, um eingelassen zu werden. Winzige, finstere Tanzfläche. Warf von der Tür aus einen Blick in die Teestube; entdeckte nur wenige potentielle Opfer, dafür aber ein paar junge Männer, die wie Asoziale oder Möchtegerngangster aussahen.
    Saß eine Weile allein an einem Tisch. Plötzlich von hinten eine Frauenstimme — bot mir an, meinen Bon einzulösen. Weiße Hose, blauer Pullover, sah aus, als ob sie einiges auf dem Kerbholz hätte, schien aber aufgeschlossen genug zu sein. Unterhielten uns. Ziemlich plump vertraulich, ein bißchen vulgär, aber gut genug.
    Hat heute ihren freien Tag; arbeitet angeblich in einem Supermarkt. Tanzten ein paarmal, dann lud sie mich ein, mit ihr ins F-Gesundheitszentrum zu gehen. Ging aus lauter Neugier mit. War heute amerikanischer Handelsvertreter mit halbjapanischer Abstammung. Nahmen ein Taxi nach Funabashi. Gesundheitszentrum voll mit Frauen und alten Leuten — sahen allesamt wie Bauern aus und hatten riesigen Spaß dabei, zwischen dem Essen und Trinken auf die Bühne zu stürzen und zu tanzen.
    Opfer schlug gemeinsames Bad vor. Mussten eine Stunde warten, bis ein winziges Badezimmer frei wurde; überbrückten die Zeit mit Bier und mäßigem Sushi. Vielleicht war es zu früh, aber ich fühlte mich unter den ganzen Dörflern fehl am Platze. Sie redete, und ich hörte zu, während ich mich einigermaßen in Stimmung zu bringen versuchte, indem ich ihren Nacken und ihr alkoholrotes Gesicht betrachtete. Gab mittelalter Badefrau ein Trinkgeld, erhielt den Schlüssel, und dann ging's los. Versank in flutendem Wasser aus einer Thermalquelle und begutachtete den Körper meines Opfers. Ihr weißes Fleisch schien sich unter dem Wasser hin und her zu wiegen. Badezimmer war gekachelt. Fasste sie

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