Schwestern des Mondes 01 - Die Hexe-09.06.13
›abscheulich‹ könnte man vielleicht einen Mörder oder Verbrecher beschreiben, aber das reicht nicht mal ansatzweise als Bezeichnung dessen, wozu diese Wesen fähig sind.«
Ich hob ein Notizbuch auf. Adressen. Könnte interessant sein. Ich blätterte es durch und suchte nach Namen, die mir bekannt vorkamen. Dann reichte ich es Chase, und er steckte es in eine Papiertüte.
»Könnte sie mit Menschen zusammenarbeiten?«
»O ja, möglich wäre das schon, aber Menschen, die sich mit Dämonen einlassen, leben für gewöhnlich nicht mehr lange genug, um irgendeine Rolle zu spielen. Menschen glauben viel zu sehr an Märchen. Sie glauben, sie würden alles bekommen, was sie wollen, wenn sie dem Teufel ihre Seele versprechen, aber ihnen ist nicht klar, dass es solche Regeln nur in ihrem eigenen kulturellen Kontext gibt. Dämonen benutzen andere nur zu ihrem Vorteil, und wenn sie fertig sind, werfen sie den Rest einfach weg.«
Ich zögerte und überlegte, dass wir Chase sagen sollten, was Schattenschwinge vorhatte und wonach er suchte. »Chase, wir wissen, worauf diese Dämonen es abgesehen haben, und warum.«
Er fuhr herum. »Was?«
»Trinken wir einen Kaffee, dann erzähle ich dir, was wir gestern Nacht erfahren haben.« Natürlich würde ich Chase, der von meinem Feencharme oft sehr eingenommen war, nicht sagen, dass ich mit Trillian geschlafen hatte. Es gab Geheimnisse, die besser nicht enthüllt wurden.
Kapitel 7
Delilah und ich berieten uns kurz und entschieden, dass ich Chase einweihen würde, während sie Louise einen Besuch abstattete. Als sie zum Indigo Crescent hinüberging, um sich Iris’ Auto zu leihen, machten Chase und ich uns auf den Weg zu Starbucks. Das war etwas, das ich an einer Rückkehr in die Anderwelt wirklich schlimm fände – der Gedanke, dass ich dann meinen Kaffee von der anderen Seite der Portale würde bestellen müssen. Zu Hause gab es diese Pflanzen nicht. Noch nicht. Mir kam eine brillante Idee. Vielleicht sollte ich eine Starbucks-Filiale in Y’Elestrial eröffnen und der Feenwelt den Mocha Frappuccino und den Caramel Latte bringen. Noch besser: Ich könnte meine eigene Kaffeeplantage gründen. In unserem heimischen Klima müssten Kaffeestauden prächtig gedeihen. Das Potenzial war schwindelerregend.
Ich starrte auf die ausgehängte Kaffeekarte und entschied mich für einen großen Venti Caramel Mocha mit extra Schlagsahne, während Chase schwarzen Kaffee bestellte. Als wir uns an unserem Ecktisch niederließen, warf er mir einen verlegenen Blick zu.
»Hör mal – danke, dass du mich heute daran gehindert hast, mich zum Affen zu machen. Ich wäre beinahe in Ohnmacht gefallen, als dieses Ding anfing... die... die Leiche zu küssen.« Er fummelte an seinem Zuckerpäckchen herum, bevor er es aufriss und in seinen Kaffee schüttete.
»Dieses Ding ist eine Fee, die in der Anderwelt hochangesehen ist«, erwiderte ich. »Dein Gesichtsausdruck war so unmissverständlich, dass er sogar Delilah aufgefallen ist. Oder was glaubst du, warum sie mit dir Händchen halten wollte?« Ich trank einen großzügigen Schluck von meinem Mocha und erschauerte, als die heiße Schokolade durch meine Kehle rann.
Seufzend konzentrierte ich mich wieder auf Chase. »Hör zu, Kumpel. Du betrachtest die Anderwelt immer noch durch die rosa Brille. Ja, schön, wir haben Elfen und Einhörner und Könige und Königinnen, aber wir haben eben auch Vampire und Gestaltwandler und Wesen, die sich vom Fleisch jener ernähren, die sie töten. Wir sind nicht einfach schwarz oder weiß, Chase, sondern die meisten von uns, die dort geboren wurden, schillern in diversen Grautönen. Mach endlich Schluss mit der Erwartung, wir sollten zu dem Bild passen, das du dir vom ›Märchenland‹ gemacht hast, und du wirst nachts viel besser schlafen.«
»Vielleicht auch nicht«, nuschelte er. »Jetzt mal im Ernst, ihr Schwestern seid halb menschlich, aber ihr denkt nicht wie Menschen, oder? Als wir uns kennengelernt haben, dachte ich, euch würde ich besser verstehen als ein paar der anderen AND-Agenten. Aber jetzt frage ich mich, ob die Mischung von Menschenund Feenblut euch nicht noch seltsamer macht, als wenn ihr reinblütige Sidhe wärt.«
Ich lehnte mich zurück und starrte in den ewigen Nieselregen, der über den Straßen niederging. »Warum? Weil wir uns ständig weigern, mit dir ins Bett zu gehen?«
Er fegte meine Bemerkung mit einer Handbewegung zur Seite. »Du glaubst wohl, darum würde sich alles drehen.
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