Schwestern des Mondes 01 - Die Hexe-09.06.13
beugte sich über die Schüssel und umklammerte die Ränder mit ihren winzigen Händen. Während sie trank, fragte Chase: »Was gibst du ihr da?«
Ich setzte mich neben ihn an den Tisch, beugte mich vor und betrachtete das Wesen, das selig sein Mittagessen schlabberte. »Eine Mischung aus Sahne, Zucker, Zimt und Salbei. Ich musste unbedingt sofort mit dem Salbei anfangen.«
»Warum?«
»Weil Gargoyles den brauchen, um sich richtig zu entwickeln. Diese Kleine wird ihre Mutter nie wiedersehen, also werde ich tun müssen, was ich kann, damit sie sich so normal wie möglich entwickelt. Aber sie hat irgendetwas Seltsames an sich... «
»Du meinst, abgesehen von der Tatsache, dass sie aussieht wie eine geflügelte, missgestaltete Katze?« Chase kicherte, doch mir entging nicht, dass er den Blick nicht von Maggie losreißen konnte, und mir wurde klar, dass er von ihr bezaubert war. Chase mochte also Tiere, ob sie nun von der Erde stammten oder aus der Anderwelt. Der Gedanke machte ihn mir gleich ein wenig sympathischer.
»Gargoyles sehen aus wie Stein und fühlen sich auch so an, wenn sie durch einen Auftrag gebunden sind. Sie sind von Natur aus Wächter – Beobachter. Obwohl sie über eine gewisse Intelligenz verfügen und auch einen begrenzten Wortschatz erlernen können, denken sie nicht, wie wir es tun. Außerdem sind sie unglaublich langlebig, sogar noch langlebiger als wir Sidhe. Ein paar der Gargoyles, die man an den Mauern von Notre-Dame und anderen Kathedralen sieht, sind in Stasis; sie beobachten und registrieren alles, was auf der Erde vor sich geht. Sie sitzen dort schon so lange zwischen den Statuen, dass sie sich vielleicht nie wieder zurückverwandeln können. Ich kenne mich mit ihrer Geschichte nicht so genau aus, aber ich sollte das mal nachlesen, jetzt, wo Maggie bei uns ist.«
Chase strich mit den Fingerspitzen sacht über ihren Rücken. »Sie fühlt sich weich an. Willst du sie behalten, oder schickst du sie in die Anderwelt zurück?«
Ich zuckte mit den Schultern. Wenn ich sie nach Hause schickte, konnte ich mich nicht darauf verlassen, dass man sich dort gut um sie kümmern würde. Hof und Krone scherten sich nicht viel um Kryptos, bis auf Einhörner und Pegasi. Irgendwann in der fernen Vergangenheit hatte man sich die Gargoyles dienstbar gemacht, und in Y’Elestrial waren sie seither rechtlos. Oft wurden sie wie Tiere benutzt – intelligente Tiere, aber dennoch nicht mehr als Tiere.
»Maggie ist ein Krypto. Kryptiden sind Wesen, die die Menschen für reine Erfindung halten, aber sie haben eine sehr lebhafte Geschichte in den Mythen und Legenden der Erde. Die meisten sind Einzelgänger und bleiben für sich. Ich glaube, ich werde sie behalten. Dann weiß ich wenigstens, dass sie in Sicherheit ist.« Gedankenverloren streichelte ich ihr Babyfell. »Jetzt erzähl mir, was ihr mit der Harpyie gemacht habt. Ach, du hast nicht zufällig daran gedacht, ihr einen Finger abzuschneiden, oder? Den könnte ich wirklich gut gebrauchen.«
Sein Gesichtsausdruck war unbezahlbar. »Ach ja, ein Dämonenfinger. Nein, tut mir leid, darauf bin ich nicht gekommen. Würdest du mir bitte sagen, wofür zum Teufel du eigentlich einen Finger von einem Dämon brauchst?«
»Als Bezahlung für eine Information. Wenn ich keinen auftreiben kann, muss ich einen meiner eigenen Finger opfern. Vorhin habe ich vergessen, dich darum zu bitten, weil ich es so eilig hatte, von dieser verdammten Space Needle herunterzukommen. Da will ich nie wieder hoch«, sagte ich und schauderte. »Ich leide unter Höhenangst, falls du das noch nicht bemerkt haben solltest. Und jetzt sag mir, was du herausgefunden hast.«
Er starrte mich an, als sei ich nicht mehr ganz dicht. »Du schuldest jemandem den Finger eines Dämons als Bezahlung für eine Information? Was für durchgeknallte Spielchen treibst du eigentlich, Camille? Nein, schon gut«, fügte er hastig hinzu. »Ich will es gar nicht wissen. Also, hier ist die Kurzfassung: Die Polizei hat sich verzogen, als ich meine Marke gezückt habe. Ich habe das AETT gerufen, und es gab keine Probleme.«
»Na, jetzt weiß der AND jedenfalls ganz sicher, dass hier Dämonen herumschleichen«, sagte ich. »Das sollte sie davon überzeugen, dass eine ernsthafte Bedrohung vorliegt. Haben sie irgendetwas Besonderes an dieser Harpyie festgestellt, wovon wir wissen sollten?«
Chase warf einen Blick zur Küche. »Hättest du etwas zu trinken für mich? Ich habe den Bericht mitgebracht. Hab ein bisschen
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