Schwestern Des Mondes 03 - Die Vampirin-09.06.13
ich mich schon immer heimlich danach gesehnt, die Erdwelt mit all ihrer exotischen Technologie und ihren seltsamen Bräuchen zu besuchen. Nun war ich seit knapp einem Jahr hier und wusste immer noch nicht recht, was ich davon halten sollte.
Unser riesiges Grundstück war an drei Seiten von einem dichten Wäldchen umgeben. An einer Seite führte ein Pfad in den wilden Wald und hinab zum Birkensee. An den beiden anderen endete unser Besitz mitten im Wald, wo die Grundstücke der Nachbarn angrenzten. Zu den Häusern hier gehörten jeweils mindestens fünfzehn- bis zwanzigtausend Quadratmeter, und die meisten waren so klug, ihr Land nicht als Baugrundstücke zu verkaufen.
Das Haus selbst war so alt, dass es bezahlbar gewesen war, aber doch so neu, dass keine größeren Reparaturen fällig waren. Delilah bewohnte den zweiten Stock, Camille den ersten, das Erdgeschoss teilten wir uns, und der Keller gehörte natürlich mir. Iris wohnte bei uns und hatte sich in einem kleinen Raum neben der Küche behaglich eingerichtet.
Maggie schlief normalerweise bei Iris, aber wenn alle irgendwo unterwegs waren, brachte Iris sie zu mir in meinen Unterschlupf. Dort rollte die kleine Gargoyle sich in einem besonderen Bettchen zusammen, das wir für sie hergerichtet hatten, um sicher und behütet zu schlafen. Ich wachte zwar normalerweise knurrend und mit gefletschten Zähnen auf, hatte Maggie aber noch nie angegriffen. Dieselben Mechanismen, die andere dazu brachten, mich zu fürchten, kehrten sich um, wenn es um Maggie ging. Sie war mein persönlicher kleiner Schützling.
Iris und ich sprangen aus dem Auto. Iris weckte Anna-Linda, und die beiden folgten mir zur Vordertreppe. Ehe ich die Tür aufschließen konnte, riss Camille sie auf und scheuchte uns nach drinnen.
»Chase will mit dir sprechen. Chrysandra hat gesagt, du wärst auf dem Heimweg, wir haben schon Ausschau nach dir... « Plötzlich verstummte sie. »Wer ist das?«
»Ein Gast«, sagte ich knapp. »Ist Chase hier?«
»Im Wohnzimmer«, sagte sie und versuchte, an mir vorbeizuspähen.
»Das mit dem Mädchen erkläre ich dir gleich«, murmelte ich.
Als wir das Wohnzimmer betraten, schaute Delilah wie üblich eine ihrer Talkshows. Diesmal konfrontierte Jerry Springer ahnungslose Frauen mit ihren Verlobten, die ihnen in der Sendung gestehen würden, dass sie mit ihrer zukünftigen Schwiegermutter geschlafen hatten. Na herrlich. Ich verstand nicht, was Delilah an diesem Mist so toll fand, aber sie hatte Spaß daran, und den ließ ich ihr. Ich hegte ja den Verdacht, dass sie auf Springer stand, aber diese Vorstellung war derart unappetitlich, dass ich möglichst nicht darüber nachdachte.
Chase hatte es sich neben ihr auf dem Sofa bequem gemacht und schnarchte leise. Von Trillian und Morio war nichts zu sehen. Morio war Camilles anderer Liebhaber – ein weiteres Mitglied ihres kleinen Harems. Morio war ein Yokai-kitsune, ein Fuchsdämon. Er war Japaner, ebenso umwerfend und ebenso begierig darauf, zu Camilles Gefolge zu gehören, wie ihre anderen Männer; außerdem unterwies er sie in Todesmagie, und sie entwickelte ihre neuen Fähigkeiten nur allzu leicht weiter. Ich warf einen Blick auf die Uhr. Wade müsste bald kommen.
Delilah weckte Chase, der gähnte, sich die Augen rieb und sich aufrichtete. Die beiden gaben ein schickes Paar ab. Sie waren mit knapp über eins achtzig gleich groß, aber Delilah war so golden wie Chase dunkel. Ihre katzenhaften Züge strahlten vor Energie, während er auf südländische Art so gut aussah, dass es für das Cover des GQ locker reichen würde. Aber er war nicht mein Typ. Camilles Liebhaber auch nicht. Die meisten Männer wirkten überhaupt nicht anziehend auf mich, und das aus gutem Grund.
Ich nahm Iris beiseite. »Würdest du Anna-Linda in die Küche bringen, ihr etwas zu essen machen und sie dann ins Bett stecken? Und wenn du irgendeine Art von ›Lauf nicht davon‹Zauber kennst, wäre jetzt ein guter Zeitpunkt dafür.«
Sie nickte, führte das Mädchen sacht zur Küche und fragte mit beruhigender Stimme, was Anna-Linda gern essen würde. Soweit ich das erkennen konnte, hatte die Kleine noch nicht gemerkt, dass ich ein Vampir war, und ich wollte, dass sie sich ein wenig erholte und sicher fühlte, ehe sie erfuhr, was ich war. Schließlich wollten wir sie nicht so erschrecken, dass sie wieder weglief.
Als die beiden außer Hörweite waren, setzte ich mich auf die Ottomane und bedeutete den anderen, sich vorzubeugen. »Die Kleine
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