Schwestern schenkt der liebe Gott
einfach ein Kind mit, weil sie selber keins haben“, antwortet die
Mutter.
„Die sind wohl nicht richtig im
Kopf?“ fragt Guggi und tippt mit dem Finger an die Stirn.
„Ja, manchmal sind sie’s
wirklich nicht“, sagt die Mutter darauf. „Deshalb läßt man kleine Kinder nie
ohne Aufsicht. Und wenn man selbst noch klein ist, geht man nie mit fremden
Leuten mit, nicht wahr, Brüder?“
„Nö“, erwidert er fest. „Und
wenn sie einem Bonbons versprechen, dann rennt man weg oder ruft die Polizei.
Und Puck ist ja auch noch da!“
Herr Günther wirft einen Blick
auf die Uhr. Er faltet die Zeitung zusammen. „Höchste Eisenbahn!“
Guggi nimmt ihre Schulmappe,
Herr Günther seine Aktentasche, und dann verabschieden sie sich.
Brüder sieht ihnen aus dem Fenster nach, bis sie verschwunden sind. Drüben im Pilz öffnet
die Verkäuferin das Fenster. Die Annabodätsch ist noch nicht da.
„Mutti“, sagt Brüder, „ich gehe
auch ‘runter!“
„Aber bleib beim Haus!“
Brüder nickt und läuft mit Puck davon. Das Treppenhaus dröhnt unter seinen Sprüngen. Auf dem
letzten Treppenabsatz bleibt er stehen.
Unten sitzen auf den Stufen und
auf dem Geländer fünf, sechs, sieben Jungen und warten. An ihren Hemden stecken
kleine rote Eulenfedern. „Wird Zeit, daß du kommst“, sagen sie zu Brüder .
„Warum?“
„Mensch, frag nicht so dämlich!
Du weißt genau, weswegen wir hier sind! Wo warst du gestern?“ Sie steigen ein
paar Stufen hinauf, um ihm näher zu sein.
Brüder verliert die Ruhe nicht.
„Wen geht denn das nichts an?“
„Das wirst du schon sehen.
Entweder du antwortest freiwillig, oder wir werden dich heute nach der Schule
erwischen.“ Peng kreiselt eine Wäscheleine locker an seiner Seite. „Beeil dich,
mein Sohn, wir haben nicht viel Zeit.“
„Ich habe auch nicht viel
Zeit“, sagt Brüder.
„Wenn wir dich an den
Marterpfahl binden, wirst du ganz schön Zeit haben! Und reden wirst du auch.
Wetten?“ Brüder überlegt. Wenn er jetzt umkehrt, ist er feige. Und nützen würde
es auch nichts. Denn dann würden sie Peter und Klaus hinaufschicken. Und Klaus
und Peter würden bei Günthers klingeln und mit dem scheinheiligsten Gesicht der
Welt fragen, ob Brüder nicht mit spielen kommen will.
Und dann müßte er doch gehen. Denn würde er zu seiner Mutter sagen: die wollen
mich martern, Mutti! so würde ein Hohngelächter durch die Gellertstraße gehen,
und Brüder wäre für alle Ewigkeit kein Junge mehr!
„Also: was hast du
weggebracht?“
Brüder runzelt die Stirn und
gibt sich einen Stoß: „Spielsachen von mir!“
„So? Spielsachen von dir?“ Sie
grinsen von einem Ohr zum anderen. „Was denn zum Beispiel?“
„Ach“, ruft Brüder wütend, „ihr
seid ja alle doof!“
Die Gesichter der Roten Eulen
gehen auseinander wie Hefeplätzchen. Da ist jemand, der Lust auf eine kleine
Marter hat. Jemand, der Rote Eulen beleidigt. Das ist wunderbar! „So, doof sind
wir! Vielleicht noch was?“
„Ja!“ Brüder kocht .
„Idioten seid ihr auch!“
Weil sie um keinen Preis eine
seiner köstlichen Beleidigungen überhören dürfen, bemerken ihre gespitzten
Indianerohren nicht, daß sich hinter ihnen eine Tür im Parterre öffnet und
unversehens Frau Zattersteg wie ein Präriegespenst erscheint.
„Das ist doch wohl die Höhe!“
Die kahlen Wände des Hausflures verstärken ihre Stimme zum Posaunenchor.
Die Roten Eulen fahren herum.
„Ihr verdammten Bengels! Den
ganzen Schmutz von der Straße ins Haus tragen und immerzu hier Lärm machen!“
Frau Zattersteg hat einen Handfeger in der Faust. Sie schwingt ihn, als wollte
sie die ganze Eulensippschaft mit zwei Besenstrichen aus der Welt fegen. „Nicht
mal am Morgen hat man seine Ruhe! Müßt ihr Bengels denn nicht in die Schule?“
Sofort springen alle auf und
stürzen an ihr vorüber. Der Handfeger erwischt noch einen Buckel. Lachend
gröhlt und gellt es durchs Haus. Eine Eule äfft Frau Zatterstegs Stimme nach:
hättättä... hättättä! Dann kracht die Haustüre zu, und man hört es draußen auf
der Straße brüllen und kollern vor Lachen.
Brüder ist oben auf dem Treppenabsatz stehengeblieben. Ihn geht das alles doch nichts an,
nicht wahr? Er hat ein schlohweißes Gewissen.
Aber langsam, langsam! „Ich
sag’ es ja immer!“ — damit geht Frau Zattersteg jetzt auf ihn los: „Du bist der
Schlimmste! Hier Versammlungen veranstalten! Das werd’ ich meinem Mann sagen.
Wir werden uns bei der Hausverwaltung beschweren. Man
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