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Schwesternmord

Schwesternmord

Titel: Schwesternmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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sagt, sie habe die Wohnung vor drei Monaten an Anna Jessop vermietet. Sie hat uns die Tür aufgesperrt.«
    »Und?«

    »Die Wohnung ist leer, Doc. Keine Möbel, nicht ein Stück, keine Bratpfanne in der Küche, keine Zahnbürste im Bad. Irgendjemand hat die Kabelgebühren und den Telefonanschluss bezahlt, aber es ist nie jemand dort gewesen.«
    »Was sagen die Nachbarn?«
    »Keiner hat sie je gesehen. Sie nannten sie ›das Phantom‹.«
    »Es muss doch eine frühere Adresse geben. Ein anderes Bankkonto …«
    »Wir haben alles überprüft. Wir können nichts über diese Frau finden, was weiter als ein halbes Jahr zurückgeht.«
    »Und was bedeutet das?«
    »Es bedeutet«, sagte Rizzoli, »dass Anna Jessop bis vor sechs Monaten nicht existiert hat.«

4
    Als Rizzoli J. P. Doyle’s Pub betrat, fand sie die üblichen Verdächtigen an der Theke versammelt. Fast alles Polizisten, die bei Bier und Erdnüssen die Heldentaten des Tages austauschten. Man konnte wohl in ganz Boston keine sicherere Kneipe finden als diese, die nur einen Katzensprung vom Revier Jamaica Plain des Boston PD entfernt war. Eine falsche Bewegung, und sofort würden sich ein Dutzend Polizisten auf einen stürzen wie die Sturmreihe der New England Patriots. Sie kannte hier jeden, und jeder kannte sie. Alle machten eifrig Platz, um die schwangere Lady durchzulassen, und sie sah so manches grinsende Gesicht, als sie zwischen ihnen hindurchwatschelte, wobei sie ihren Bauch vor sich herschob wie einen Schiffsbug.
    »Wow, Rizzoli«, rief jemand. »Wohl’n bisschen zugenommen, wie?«
    »Ja.« Sie lachte. »Aber im Gegensatz zu dir hab ich die Pfunde im August wieder runter.«
    Sie bahnte sich ihren Weg zu den Detectives Vann und Dunleavy, die ihr schon von der Theke aus zuwinkten. Sam und Frodo – so wurden die beiden von allen genannt. Der dicke und der dünne Hobbit. Sie waren schon so lange ein Team, dass sie sich benahmen wie ein altes Ehepaar – und wahrscheinlich verbrachten sie tatsächlich mehr Zeit miteinander als mit ihren Frauen. Rizzoli sah so gut wie nie den einen ohne den anderen, und sie vermutete, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis sie anfingen, im Partnerlook aufzutreten.
    Sie grinsten und prosteten ihr mit ihren identischen Guinness-Gläsern zu.
    »Hey, Rizzoli«, sagte Vann.
    »Sie sind spät dran«, sagte Dunleavy.

    »Wir sind schon beim zweiten Bier …«
    »… möchten Sie auch eins?«
    Gütiger Himmel, sie beendeten sogar füreinander die Sätze. »Hier ist es zu laut«, sagte sie. »Gehen wir in den Nebenraum.«
    Sie steuerten den Restaurantbereich an und setzten sich in die Nische unter der irischen Flagge, Rizzolis Stammplatz. Dunleavy und Vann machten es sich Seite an Seite auf der Bank gegenüber von ihr bequem. Sie dachte an ihren eigenen Partner, Barry Frost – ein netter Kerl, ein richtiger Pfundskerl sogar, und doch hatte sie absolut nichts mit ihm gemeinsam. Nach Feierabend gingen sie beide ihrer Wege. Dabei verstanden sie sich wirklich gut, aber noch mehr Nähe, als der Dienst ohnehin schon mit sich brachte, hätte sie wohl nicht ertragen. Ganz im Gegensatz zu diesen beiden.
    »Sie haben also ein Black-Talon-Opfer«, sagte Dunleavy.
    »Es passierte gestern Abend in Brookline«, erwiderte sie. »Der erste Talon-Fall seit Ihrem damals. Wie lange ist das her – zwei Jahre?«
    »Ja, ungefähr.«
    »Abgeschlossen?«
    Dunleavy lachte. »Wie eine Zelle im Hochsicherheitstrakt.«
    »Wer war der Schütze?«
    »Ein Kerl namens Antonin Leonow. Ukrainischer Einwanderer; Kleinkrimineller, versuchte aber ganz groß einzusteigen. Die Russenmafia hätte ihn irgendwann ausgeschaltet, wenn wir ihn nicht vorher verhaftet hätten.«
    »Was für ein Volltrottel«, meinte Vann und schnaubte verächtlich. »Er hatte keine Ahnung, dass wir ihn beschatteten.«
    »Was hat Sie dazu veranlasst?«
    »Wir haben einen Tipp bekommen. Angeblich erwartete er eine Lieferung aus Tadschikistan«, antwortete Dunleavy. »Heroin. Ein Riesengeschäft. Wir sind ihm eine ganze Woche
lang auf Schritt und Tritt gefolgt, und er hat nichts gemerkt. Und schließlich hat er uns zum Haus seines Partners geführt. Wassily Titow. Offenbar hat Titow Leonow irgendwie ans Bein gepinkelt. Jedenfalls sehen wir, wie Leonow Titows Haus betritt. Dann fallen Schüsse, und kurz darauf kommt Leonow wieder raus.«
    »Und läuft uns direkt in die Arme«, setzte Vann hinzu. »Wie schon gesagt – ein Vollidiot.«
    Dunleavy hob sein Guinness-Glas. »Sonnenklarer Fall.

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