Schwiegermutter inklusive. Einen Mann gibt es selten allein (German Edition)
Rigoletto vorsichtig, „Aber eincremen mit Sonnenschutzfaktor sollte man sich schon.“
„Papperlapapp!“,
fuhr Ingrid ihm zwischen zwei Scampis über den Mund. „Diese
jungen Leute heute sind so was von leichtgläubig, nehmen alles für bare Münze,
was ihnen die Industrie einreden will. Früher haben die Menschen stundenlang in
der prallen Sonne gearbeitet und das war kein Problem“, sagte sie an Igerich gewandt, der hinter seinem Rotweinglas kaum zu
sehen war.
„Ja, weil die Leute früher mit 50 Jahren eh gestorben sind, da war
der Hautkrebs dann auch egal“, hätte ich jetzt gerne erwidert. Da Rigoletto und Igerich sich nun
aber betont ihrem Essen widmeten, schwieg ich mal wieder. Mir hörte sowieso
keiner zu. Still war auch der Rest des Mittagessens. Bis Ingrid plötzlich
sagte:
„Ich
habe eine ganz wundervolle Idee. Wie wäre es, wenn wir heute Nachmittag
gemeinsam Golf spielen gehen?“
„Heute
Nachmittag haben wir Golf-Unterricht, geht leider nicht“, sagte ich und tat
sehr enttäuscht, obwohl ich mich an diesem Tag eigentlich nur noch auf diese
eine Stunde allein mit dem Menschen, mit dem ich wissentlich in den Urlaub
gefahren war, freute.
„Aber
das meine ich doch, Herzilein . Igerich und ich kommen mit zu eurer Golfstunde, dann lernen wir alle etwas dazu.“
Ingrid strahlte mich an, als sei sie eine Multi-Millionärin und
hätte mir gerade ihr gesamtes Vermögen überschrieben. Rigoletto schob sich just in diesem Moment ein so großes Stück Fleisch in den Mund, dass
er nicht antworten konnte. Igerich nickte, wie er
immer zu allem nickte und nahm einen Schluck Rotwein. Vielleicht hatte er auch
gar nicht zugehört und sich nur selbst zugeprostet.
Damit war es beschlossene Sache, Rigolettos Eltern hatten ein weiteres Stück unseres Urlaubs übernommen. Und ich, ich war
mal wieder fassungslos, sagte aber wie immer nichts. Was sollte ich auch sagen?
Ich bestellte mir ein Glas Wein und fragte mich, ob ich meinem zukünftigen
Schwiegervater auch vom Aussehen her jeden Tag ähnlicher wurde.
Nach dem Essen fühlte ich mich erschöpft vom Nichtstun und vom Nichtssagen . Ein kleiner Mittagsschlaf auf meiner
Strandliege erschien mir das Richtige, zumal er mich davor bewahren würde, mit
Ingrid zu reden, die sich frisch ausgeschlafen und voller Energie mit ihrem
Kokosöl einrieb, so dass sie wie ein riesiges, rotlackiertes Michelin-Männchen
aussah. Ich rückte mir den Sonnenschirm so zu Recht, dass jeder Zentimeter
meines Körpers im Schatten lag, cremte mich mit Schutzfaktor 65+ ein und
schloss die Augen. Für einige wenige Sekunden lag ich vollkommen entspannt da.
Dann begann Ingrid leise zu summen. Was nicht weiter gestört hätte, wäre sie
nicht nach wenigen Takten dazu übergegangen, zu singen. Falsch zu singen. Eine
Opern-Arie. Von Verdi. Und sie sang nicht nur falsch, sie schien auch nicht
sehr textsicher. Was verwunderte, bei einer Frau, die Verdi so liebte, dass sie
ihren einzigen Sohn mit dem Namen „ Rigoletto “
gestraft hatte. Statt „La Donna e mobile“ aus der gleichnamigen Oper zu singen,
krächzte Ingrid fröhlich einen Werbesong aus den 70ern vor sich hin:
„ Oh, wie verführerisch
sind Choco Crossies ,
mandelfein, köstlich,
leicht, einzigartig.
Wie sie zart schmelzen
und dabei knuspern,
unwiderstehlich,
Choco Crossies !"
Zum Finale hatte Ingrids Stimme eine Lautstärke erreicht, dass an
Schlaf nicht mehr zu denken war - weder für mich noch sonst irgendjemanden im
Süden Portugals.
In meinem Fall war allerdings nicht allein Ingrids falscher, lauter
Gesang schuld. Auch der Inhalt ihres Gesanges machte mir Sorgen. Versuchte
nicht Rigoletto in der Oper, Rache an dem bösen
Herzog zu nehmen, was dieser durchschaute und ihn seinerseits hereinlegte?
Wollte Ingrid mir zu verstehen geben, dass sie meine Rachegelüste durchschaut
hatte? Konnte die Frau wirklich meine Gedanken lesen? Wollte sie mir sagen,
dass ich nicht gegen sie gewinnen könne? Dass sie alles über mich und meinen
hinterhältigen Liegen-Plan wusste? Ich war fertig mit den Nerven und beschloss,
mich ins Hotelzimmer zurückzuziehen. Keine Minute länger konnte ich neben
Ingrid liegen und so tun als wäre nichts geschehen.
„Ich
glaube, es wird mir ein bisschen heiß hier draußen. Ich gehe aufs Zimmer. Wir
sehen uns nachher bei der Golfstunde“, erklärte ich Ingrid und
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