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Schwimmen in der Nacht

Schwimmen in der Nacht

Titel: Schwimmen in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Keener
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dünnen dunklen Haaren und einer Brille mit braunem Gestell, stand an ihrer Nische. Ihr neuer Freund drehte sich zu ihm und fragte, was er wolle.
    Â«Möchten Sie etwas bestellen?», fragte der Geschäftsführer.
    Â«Wir haben alles», sagte der Junge.
    Â«Möchten Sie dann zahlen?»
    Â«Ich hab noch nicht ausgetrunken.»
    Margaret zündete sich eine Zigarette an und lächelte den Geschäftsführer an.
    Â«Wir sind gleich soweit», sagte sie. Dann sah sie zu mir herüber und verabschiedete sich mit einem Wink der Zigarette.
    An der Eistheke reichte eine Mutter in blau gestreiften Shorts und einer dunkelblauen Bluse ihrer kleinen Tochter gerade vorsichtig eine Eiswaffel.
    Â«Pass auf, dass du nicht tropfst, Spatz», sagte die Mutter.
    Das kleine Mädchen mit den bronzefarbenen Haaren hielt die Eiswaffel hoch; die ganze Welt sollte seine Liebesfackel sehen.
    Â«Was ist?», fragte Anthony und strich mir übers Kinn.
    Ich schüttelte den Kopf. Es tat weh, das Kind mit seiner Mutter zu sehen, aber das wollte ich ihm nicht sagen.
    Im Wagen setzte er zurück, fuhr vom Parkplatz, wobei er über den Bordstein auf die Hauptstraße holperte. Ich musste daran denken, wie Mutter an einem Sommerabend allein zum Gooseneck Lake gefahren war. Zu vielgetrunken hatte. Zu viele Schmerztabletten geschluckt hatte. Ihr schmächtiger Oberkörper stieß gegen das Armaturenbrett, als der Wagen die Uferböschung hinunterrollte. Ob sie sich genauso gefühlt hatte wie ich jetzt? Wollte sie ebenso ausbrechen, wusste aber auch nicht wie?
    Â«Fahren wir zum Gooseneck», sagte ich.
    Er lächelte. Der See gab uns ein gemeinsames Ziel, einen Bestimmungsort, das Gefühl, dass wir eine Absicht verfolgten, und meine Laune besserte sich. Ich klappte den Autoaschenbecher auf und zündete den halben Joint an, der noch darin lag. Er schmeckte schal und modrig.
    Â«Und ich hab dich die ganze Zeit für ziemlich brav gehalten. Du hast mich reingelegt», sagte Anthony. Er legte mir wieder die Hand aufs Bein.
    Â«Die Menschen ändern sich.» Ich rauchte genüsslich, als hätten wir alle Zeit der Welt.
    Er hielt sich gerade noch ans Tempolimit. Musterte meine Knöchel und die Füße in den Sandalen, warf einen Seitenblick auf meine Brust und Taille. Ich beobachtete, wie er Stück für Stück das ganze Bild in sich aufnahm.
    Ganz gleich, was jetzt geschehen sollte, ich würde es zulassen.
    Â«Schade, dass wir nicht zusammen waren», sagte er und nahm mir den Joint ab.
    Â«Ja, find ich auch. Und jetzt gehst du weg.» «Übermorgen.»
    Er erwähnte den Musterungsbescheid nicht, aber diese Nachricht schwebte wie eine unsichtbare Drohung über uns.
    Â«Gehst du gern schwimmen?», fragte ich.
    Â«Ich kann nicht schwimmen.»
    Ich hustete mir die letzten Marihuanareste aus der Lunge und richtete mich auf.
    Â«Wieso denn das nicht?»
    Â«Weil’s mir keiner beigebracht hat.»
    Â«Na, du kannst dich ja an den Strand setzen und mir zusehen.» Ich streifte die Sandalen ab und legte die Füße aufs Armaturenbrett. Eine Weile fuhren wir schweigend weiter. Das Marihuana machte sich langsam bemerkbar. Ich spürte, dass er nicht wusste, was er sagen sollte. Vielleicht ging ihm nach und nach auf, dass ich ihm fremd geworden war, denn er wurde förmlicher und rutschte unruhig hin und her.
    Â«Wo ist dein Bruder, der Sänger?»
    Â«Der ist jetzt in Kalifornien.»
    Â«Ihr singt beide. Liegt in der Familie, was?»
    Â«Nehm ich mal an, ja.» Ich erzählte ihm nicht, dass Mutter Geige gespielt hatte, bis die Arthritis einsetzte und ihr die Lust an der Musik verdarb. Ich erwähnte nicht, dass meine Urgroßmutter von der Oper geträumt hatte.
    Â«Weißt du, was bei mir in der Familie liegt?», fragte er.
    Â«Sport?»
    Er lachte. «Der ist gut. Lastwagenfahren. Mein Vater und mein Onkel fahren beide LKWs.»
    Â«Willst du das auch?»
    Â«Warum nicht? Verdient man ganz gut bei.»
    Wir parkten in einer ländlichen Gegend mit Blockhäusern unter großen, geraden Kiefern. Diesmal erwiderte ich seinen Kuss, als er mich küsste, und seine Zunge schmeckte nach Zigarettenrauch und Erde. Ich küsste ihnleidenschaftlich, dann riss ich mich los und rannte durch den Wald zum Seeufer. Er lief neben mir, kam ohne Weiteres mit, konnte den Sportler eben doch nicht verhehlen. Ich war aber schnell außer Atem und

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