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Schwimmen mit Elefanten - Roman

Schwimmen mit Elefanten - Roman

Titel: Schwimmen mit Elefanten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verlagsbuchhandlung Liebeskind GmbH & Co. KG
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Millimeter. Beim Gulasch nahm er Fleischstückchen heraus, und die Eiscreme taute er halb auf. Die Reste ließ er im Müll verschwinden, ohne dass der Koch etwas davon mitbekam.
    »Ah, wie nett von Ihnen.«
    Die Oberschwester trug wie immer ihre weiße Tracht. Er hatte sie nie anders gesehen. Der gestärkte Kittel war steif wie ein Brett und die Haube fein säuberlich mit Haarnadeln festgesteckt, sodass sie niemals verrutschen würde, egal, wie heftig sie mit dem Kopf schüttelte.
    »Gleich kommen Sie zum Einsatz, nicht wahr?«
    Die Oberschwester nickte in Richtung Schachzimmer.
    »Ja.«
    »Sie sind bei den Bewohnern sehr beliebt.«
    »Glauben Sie?«
    »Unsere Gäste finden es beruhigend, dass jemand unter ihrem Dach lebt, mit dem sie zu jeder Uhrzeit Schach spielen können. Noch dazu, wenn es sich dabei um Aljechin handelt.«
    »Ich danke Ihnen.«
    Ohne die Sorgen des Jungen zu ahnen, verspeiste die Oberschwester genüsslich ihr Mahl. Ihr Zimmer war schlicht, nur ein wenig größer als seines. Auf dem schmucklosen Regal, das an der Wand befestigt war, standen nur Bücher über Krankenpflege, kein Familienfoto, keine Souvenirs von irgendwelchen Reisen. Daneben hing an einem Haken ein zweiter Kittel zum Wechseln.
    »Aber eine Sache wundert mich schon …«, sagte sie kauend. »Wieso machen Sie es sich so schwer und verstecken sich in einer Puppe? Es wäre doch viel bequemer, sich einfach an einen der vielen Schachtische zu setzen. Bestimmt wären Sie auch schneller fertig, wenn Sie eigenhändig spielen würden, oder etwa nicht?«
    »Ja, da mögen Sie recht haben«, erwiderte er, ohne den Blick von ihrem Mund zu lösen. »Aber die Umstände sind nun mal etwas schwierig …«
    »Sie wollen damit sagen, das lässt sich nicht so ohne Weiteres erklären?«
    »Tja …«
    »Schon gut, das macht nichts. Ich verstehe sowieso nichts von Schach. Außerdem habe ich mich bereits an den Anblick gewöhnt, dass ein Mensch gegen eine Puppe spielt.«
    Sie wischte sich energisch mit der Papierserviette über die Lippen.
    In dem Moment verstand der Kleine Aljechin, dass er seit dem Tod des Meisters auf keinem anderen Brett gespielt hatte als auf seinem. Die einzige Ausnahme war das Lebendschach, was ein unverzeihlicher Fehler gewesen war. Der Junge schwor sich, fortan Schach nur noch auf dem Erbstück des Meisters zu spielen.
    »Möchten Sie kosten?«
    Die Oberschwester reichte ihm das Schälchen mit der Eiscreme.
    »Nein, danke.«
    Zwar fiel ihm ein, dass sie weniger essen würde, wenn er mitäße, aber er brachte es einfach nicht über sich, das Schälchen entgegenzunehmen.
    »Sie brauchen sich nicht zu genieren«, forderte sie ihn abermals auf.
    »Nein, darum geht es nicht, ich esse nur nichts Süßes, das ist alles.«
    »Sieh an!« murmelte die Oberschwester und blickte ihn an. »Dafür haben Sie sicher auch einen Grund, den Sie nicht ohne Weiteres erklären können, oder?«
    Daraufhin sagte sie nichts mehr, sondern verschlang gierig die Eiscreme. Der Junge sah ihr zu und dachte dabei, dass er seit dem Tod des Meisters auch nichts Süßes mehr probiert hatte.
    Aha, das ist doch jener Herr, der vor drei Tagen blitzschnell konterte, als ich Druck auf g2 gemacht hatte. Und der dort drüben hat sich vor zwei Wochen völlig verzettelt, weil er unbedingt ein elegantes Endspiel haben wollte. Wenn der Junge tagsüber beim Verrichten der anderen Arbeiten auf einen der Bewohner traf, fiel ihm sofort ein, wie er gegen ihn Schach gespielt hatte. Ihre Stimmen musste er gar nicht hören, ihm reichten ihre Gebärden, um zu erkennen, wer sie waren. Als wären dort bereits die Notationen geschrieben, dachte er und wunderte sich über diesen Gedanken.
    Nur der Alte mit dem Einkaufswagen bildete eine Ausnahme. Egal ob er Schach spielte oder im Salon einen Kaffee trank, sein untrügliches Markenzeichen war der Trolley. Sobald er aus seinem Zimmer trat, durfte sein rollender Gefährte nicht fehlen. Er behauptete, die Tasche enthielte Erinnerungsstücke aus seinem Leben. In jungen Jahren galt er als Schachgenie, aber er hatte lediglich banale Dinge im Gepäck: einen einzelnen Handschuh, einen Radiergummi, Schnürsenkel, ein Rechen-Dreieck, vertrocknete Samen von Wollmispeln, Sammeltickets für den Omnibus, Augentropfen, eine Schaufel, einen falschen Schnurrbart, Stricknadeln, das angelaufene Glöckchen – alles Plunder, der mit Schach nicht das Geringste zu tun hatte. Aber für ihn war jeder Gegenstand wahrscheinlich mit einer kostbaren Erinnerung

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