Schwindel
erkennen?
»Quatsch!« Er fuhr mich an, schüttelte wild den Kopf. »Ich habe eine Freundin, dich! Und überhaupt: Was hab ich mit diesem
Schulfest zu tun? Ich gehe nicht hier zur Schule, schon vergessen?« Er wirkte ernsthaft gekränkt, schnaubte und verschränkte
die Arme vor der Brust. »Echt, du traust mir überhaupt nicht, was?«
Ich schwieg, seine Freunde ebenfalls, bis auf Mickey, der leise vor sich hin summte und schräg etwas von »please don’t fool
me« sang.
Warum sollte ich Julian noch trauen?
»Du könntest es aber gewesen sein«, flüsterte ich, »du warst schon hier und du hast die gleichen Schuhe.«
»Herr Wende, Sie sind vorläufig festgenommen. Sie haben kein Alibi für die Tatzeit«, sagte Mickey todernst, formte mit den
Fingern eine Pistole und richtete diese auf Julian.
Laura brüllte vor Lachen.
Auch Julian schien das lustig zu finden. »Ich will sofort meinen Anwalt sprechen!«, entgegnete er mit Fistelstimme.
Sie lachten alle, lachten über mich.
Wahrscheinlich wussten sie, dass es Julian gewesen war. Warum sonst hatten sie mir keinen anderen Namen genannt? Warum sonst
stießen sie jetzt alle mit ihm an und schlossen mich aus?
Weil ich ein Fremdkörper war, diejenige, die von außen gekommen war, die nichts verstand und deshalb eine Gefahr für sie darstellte.
So musste es sein. Ich war eine Gefahr für sie – und sie also auch eine für mich.
Auf Julian war kein Verlass mehr. Er hatte mich betrogen und er würde sich nicht meinetwegen gegen seine Freunde stellen,
er gehörte zu ihnen und sie hielten zusammen.
Wieder wuchs meine Unruhe. Ich sah Julian und seine Freunde lachen und trinken, während mein eigener Mund staubtrocken war.
Ich sah, wie das Gesicht von Dustin bei jedem Schluck aus der Flasche verkniffener wurde und er Olga nun mehr gelangweilt
als zärtlich küsste; es schien, als konzentriere er sich jetzt aufs Trinken. Mickey dagegen brauchte das gar nicht mehr, seine
Augen waren schon glasig und seine Sprüche so platt, dass es mich entsetzte, Julian darüber lachen zu hören. Er war ganz sicher
keiner von denen, die in der Runde etwas zu sagen hatten, er kam mir eher vor wie ein geduldeter Bewunderer, während ich,
seine Freundin, für diese Leute wahrscheinlich die Existenzberechtigung einer Küchenschabe besaß.
Verkrampft hockte ich da und bewegte mich nicht, während der Abend fortschritt und das Feuerchen ausging. Die Clique schien
nicht zu frieren, das Mondlicht war ihnen Helligkeit genug und der Vorrat an Alkohol unerschöpflich. Auch der Gesprächsstoff
ging ihnen nicht aus. Das Thema war zu Mirko Vollmer zurückgekehrt und sie debattierten eingehend über alle möglichen Maßnahmen,
ihn zum Schweigen zu bringen. Dass er sie wegen der gestrigen Schläge nicht bei seinem Vater oder gar bei der Polizei verpfeifen
würde, darüber waren sie sich sicher … es sei denn, ja, es sei denn, er fände jemanden, der ihn unterstützen, seine Aussage untermauern und als Zeuge auftreten
würde.
Diese Bemerkung reichte aus, um meinen Zustand rapide weiter zu verschlechtern. Vollmer wusste ja schon Bescheid. Wenn Julian
jetzt nur eine falsche Bemerkung machte, würde die Aggression gegen mich neu ausbrechen. Ich merkte, wie ich anfing, mich
auf diesen Gedanken zu fixieren. Ich war so verkrampft, dass es mir plötzlich kaum mehr gelang, dem Gerede der anderen zu
folgen. Wie durch Watte hörte ich die Stimmen. Redeten sie über mich? Was wollten sie von mir? Warum knuffte Julian mich?
»Eva, sag doch auch mal was dazu!«
Was denn? Was soll ich denn sagen? Ich weiß nichts. Ich will nicht heulen. Und ich will nicht, dass die sehen, wie dreckig
es mir geht.
Der Fuchs! Ich stelle mir vor, er säße neben mir und sähe mich an. Bei ihm habe ich solche Zustände auch gehabt: Schweißausbrüche,
Herzrasen, Hyperventilation. Der Fuchs bleibt immer ganz ruhig. Er sitzt neben mir und guckt mich an und alles ist halb so
wild.
»Lasst Eva endlich in Ruhe, sie hat klar gesagt, dass sie Mirkos Erpressungsaktion asozial findet!« Chris’ Stimme wurde laut.
»Wir sollten über was anderes reden. Was ist zum Beispiel mit unserer Fahrt in den Herbstferien? Darum müssen wir uns langsam
kümmern!«
Sie sprachen über eine Pauschalreise nach Mallorca. Strand und Saufen. Julian überlegte mitzufahren. Wusste ich gar nicht.
Interessiert mich auch nicht. Ich sitze in Wirklichkeit beim Fuchs und erzähle ihm alles.
»Esra, es ist
Weitere Kostenlose Bücher