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Schwindel

Titel: Schwindel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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holte in Windeseile Julian und die anderen her.
    »Mein Gott, die Alina«, flüsterte Laura.
    Mickey taumelte hinter einen Baum und übergab sich. Dustin leuchtete mit der Taschenlampe auf Alinas verdrehten Körper, so
     lange, bis sein Arm heftig zu zittern begann und er ihn hilflos hochriss. Mit einer Verzweiflung, die man ihm gar nicht zugetraut
     hätte, brüllte er: »Was für eine gottverdammte Scheiße!«
    Erst da wurde mein Schreien leiser, erstarb zu einem Jammern und im gleichen Moment kam Julian, legte die Arme um mich, flüsterte:
     »Komm weg hier!«, und zog mich fort vom Anblick des toten Mädchens. Mickey kam dazu, wischte sich mit einer Hand den Mund
     ab und murmelte fassungslos: »Das ist nicht wahr. Ich bin betrunken. Sagt, dass das nicht wahr ist!«
    Weder Julian noch ich gaben ihm eine Antwort. Laura fing an zu weinen und lehnte sich an Mickey, der unbeholfen ihre Schulter
     fasste und selbst wohl genauso viel Halt brauchte. Nur Dustin stand immer noch direkt neben Alina und sagte: »Julian, ruf
     die Polizei!«
    Mein Freund brauchte lange, um sein Handy aus der Tasche zu ziehen, eins, eins, null einzugeben, Worte zu finden. Niemanden
     störte sein Gestammel. Dass er überhaupt etwas herausbrachte, war eine Leistung, zu der wir anderen nicht in der Lage gewesen
     wären.
    Dann standen wir da und warteten.
    Es war gespenstisch ruhig. Selbst Laura weinte lautlos und die Zeit schien stillzustehen. Da lag dieses Mädchen. Wenige Meter
     von uns entfernt. Ich glaubte die Kälte zu spüren, die von ihrem Körper ausging, den eindringlich-süßlichen Geruch. Aber das
     konnte nicht sein. Sie lag nicht so nah bei mir wie mein verstorbener Opa damals im Trauerraum des Bestatters. Ich konntenichts riechen, ich konnte von hier aus auch praktisch nichts mehr sehen. Und ihre Anwesenheit konnte ich schon gar nicht
     fühlen, weil Alina ja gar nicht mehr anwesend, sondern tot war. Und die leichte Berührung an meinem Hals, was war das? Ein
     Zweig, ein Blatt, der Wind, nichts sonst!
    Julian unterbrach die erschreckende Stille. »Die haben mich gefragt, ob sie das wirklich ist und ob sie wirklich tot ist.
     Ob wir uns da sicher sind.« Er atmete stoßweise.
    Keiner gab ihm eine Antwort. Seine beiden Freunde reagierten gar nicht, nur Laura schluchzte auf, zum Zeichen, dass sie ihn
     gehört hatte. Ich schwieg, obwohl ich seine ausgesprochene Frage sehr wohl beantworten konnte: Die junge Frau, die da unterhalb
     des Steilabbruchs lag, war tot. Das hatte ich sofort gewusst, auch wenn ich nicht hätte benennen können, warum. Es war die
     Starre ihres Körpers, die unnatürlich angewinkelten Gliedmaßen, der heruntergefallene Zweig, der auf ihrem Rücken lag. Sie
     musste schon länger dort liegen, sicher nicht erst seit dem Nachmittag. Wer weiß, wie lange schon? Wer weiß, wie viele Tiere
     schon an ihr geschnüffelt, wie viele Fliegen und Würmer   …
    »Evchen, Ärmste, Liebste, du wimmerst, du schlotterst ja. Du brauchst aber keine Angst haben, ich beschütz dich, ich halt
     dich, und wenn gleich die Polizei da ist, fahren wir sofort nach Hause.«
    Mein Freund. War das mein Freund? War er trotz allem noch an meiner Seite?
    »Ihr müsst aufpassen, dass ihr keine Spuren kaputt macht!«, krähte Laura in der Stimmlage eines kleinen Mädchens. »Dustin,
     du musst auch da wegkommen!Wollen wir nicht zur Straße laufen? Los, lasst uns zur Straße runter. Bitte!«
    »Ich kann hier nicht weg«, rief Dustin. »Ich muss aufpassen. Ihr müsst allein gehen.«
    »Wir sollten uns jetzt nicht mehr trennen«, sagte Julian. »Wir sollten zusammenbleiben. Das ist sicherer.«
    »Wir können hier doch nichts tun   …«, protestierte Laura.
    »Ich finde es auch besser, wenn wir zusammenbleiben«, murmelte Mickey und zog, plötzlich nüchtern, die laut aufheulende Laura
     enger an sich heran. »Ruf noch mal bei der Polizei an, frag, ob sie schon unterwegs sind.«
    »Hier ist wieder Julian Wende, ich, wir wollten fragen, ob Sie auch wirklich kommen, wir warten hier nämlich und   …«
    »Ich will nach Haaaauuuuse!«
    »…   eine Freundin, ja, die Laura, die hält das kaum aus, wir halten das eigentlich alle nicht mehr lange aus. Meiner Freundin
     geht’s ganz schlecht und der Laura auch   … Schock? Weiß nicht, vielleicht. Sie sind aber schon losgefahren, oder? Gut.« Julian ließ sein Handy sinken. »Die müssten
     gleich hier sein«, sagte er matt.
    Wir schwiegen. Laura stellte für einen Moment das sirenenhafte

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