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Schwindel

Titel: Schwindel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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Hast du noch nie was
     gemacht, wozu man dich gezwungen hat? Hast du noch nie was verloren? Hast du noch nie Angst gehabt?«
    Ich öffnete den Mund, aber Vollmer kam mir zuvor. »Schluss jetzt!« Er drückte aufs Gas und Mirko beeilte sich, in den Wagen
     zu kommen.
    »Wiedersehen!«, sagte er.
    Ich sah ihnen nach, wie sie davonfuhren. In der Stille, die sie zurückließen, glaubte ich mein Herz schlagen zu hören. So
     mitgenommen war ich, dass ich mich erst mal auf die Fliesen setzen musste. Ich hatte geschwitzt und mich ordentlich verkrampft,
     der Schmerz in meinem Kopf jedenfalls erreichte nun ungeahnte Dimensionen. Müde nahm ich den zu Boden gefallenen Eisbeutel
     und drückte ihn auf meine Stirn. Ich war nicht viel schlauer als vorher.
    Eine ganze Weile hockte ich da. Ich dachte an Alina und ließ meine Tränen fließen, bis es mir so kalt war,dass ich mich dazu zwingen musste, aufzustehen, ein Frühstück vorzubereiten und nach oben zu Julian zu tragen. Der schlief
     glücklicherweise und hatte von meinem Gespräch mit den Vollmers nichts mitbekommen. Ich beschloss, es ihm auch nicht zu erzählen.

20
    Wir frühstückten im Bett, nicht ausgelassen und liebeslustig diesmal, sondern appetitlos, misstrauisch und wortkarg. Alle
     Sätze, die wir begannen, drehten sich um Alina und alle brachen unvollendet in der Mitte ab. »Hast du gesehen, wie   …?« – »Hätte man sie wohl noch retten können, wenn   …?« – »Warum haben ihre Eltern nicht eher die Polizei gerufen, vielleicht wäre   …« – »Falls sie ihr Handy angehabt hätte, hätte man das nicht mit Satelliten orten und sie finden können   …« – »Wenn die Polizei, statt die Gegend rund um die Schule zu durchkämmen, dort gesucht hätte, dann   …«
    »Dann hätte das wahrscheinlich auch nichts geändert, bis auf die Tatsache, dass wir sie dann nicht gefunden hätten«, beendete
     Julian wenigstens den letzten Satz und verschwand anschließend im Bad, während ich versuchte, die Zeit zu überbrücken, indem
     ich mir mein neues Tagebuch nahm und stichpunktartig Notizen zu all dem Schrecklichen machte, was ich hier in Munkelbach erlebt
     hatte. Auf das Nacherleben meiner Gefühle verzichtete ich vorerst komplett, dazu wäre ich erst nach einem zeitlichen Abstand
     in der Lage. Also listete ich nur die Fakten auf:
Dienstagabend: Esra knutscht mit Julian (?) , Mirko fotografiert sie, im Hintergrund des Bildes sind Alina und Bernd zu sehen, Alina verschwindet.
Später erpresst Mirko Esra. (Missverständnis?)
Donnerstagabend: Mirko wird zusammengeschlagen, sagt mir, er habe das Handy nicht dabei (?) , sagt mir, er habe es verloren (?) , sagt mir   …
    Was hatte Mirko gesagt?
    In dem Moment kam Julian aus dem Bad. »Na, ist dein neues Tagebuch okay? Vermisst du das alte jetzt nicht mehr?«
    Ich warf einen Blick zum Fenster. Es hatte zu regnen begonnen. Wo meine Kladde da draußen auch immer liegen mochte – jetzt
     würde die Tinte sowieso bald zerfließen.
    »Was schreibst du denn da eigentlich so auf?« Er setzte sich aufs Bett, schielte neugierig auf die wenigen handgeschriebenen
     Zeilen.
    »Nur Stichpunkte«, antwortete ich und fügte in Gedanken hinzu: wenig Text und viele Fragezeichen.
    »Aha.« Julian legte den Kopf schief, grinste. »Darf ich mal lesen?«
    »Nein.« Ich wurde sauer. Was bildete er sich ein? »Tagebücher sind geheime Bücher. Sie verlieren ihren Sinn, wenn andere sie
     lesen.«
    »Nur die erste Seite! Bitte!« Er ergriff meine Füße, kitzelte sie. »Oder hast du Geheimnisse vor mir?«
    »Du hast ja wohl welche vor mir«, stellte ich klar.
    »Jaa.« Julian seufzte, ließ meine Füße los und sich rücklings auf das Bett fallen. »Ich weiß. Die falsche Fußverletzung,die Sache mit meinen Freunden   … ich hatte keine andere Wahl, Eva. Es tut mir leid.«
    »Und was war mit Esra?«
    »Ach, Esra!« Er machte eine wegwerfende Handbewegung, stand auf.
    »Warst du das auf dem Foto? Ich will es wissen!«
    »Nein, verdammt noch mal! Herrgott, ist das denn das Einzige, woran du denkst? Als ob es nicht wichtigere und schlimmere Dinge
     gäbe!« Julian wurde rot und stürzte aus dem Schlafzimmer.
    Traurig blieb ich auf dem Bett sitzen. Ich glaubte ihm nicht, so war’s. Auch wenn mir keiner meinen Verdacht bestätigte und
     ich mir nicht hundertprozentig sicher sein konnte, sprach mein Gefühl doch eine deutliche Sprache: Julian log.
    Eigentlich konnten wir auch gleich Schluss machen. Das wollte ich sowieso, oder? Warum

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